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Ohne mich – Teil 3

Der dritte und letzte Teil dieses dreiteiligen Textes. Zu Teil 1, zu Teil 2. Link zum zum kompletten Artikel als PDF.

Ohne mich!

Erklärung meines Rückzugs aus „Nicht ohne uns“

VI. Herrn Jebsens Umwälzung des Journalismus – Eine Art ‚Anti-Jebsen‘

KenFM ist jedoch nur bedingt eine sachliche und neutrale Informationsquelle – und erst recht keine Stimme einer antifaschistischen „Résistance“. Wie gesagt rechne ich es Ken Jebsen und Co. durchaus an, dass sie über die „Nicht ohne uns“-Proteste vergleichsweise fair und sachlich berichten und damit etwas tun, was eigentlich andere Medien tun sollten – denn schließlich ist die Protestbewegung für die Wiedereinsetzung der Grundrechte in Zeiten von Corona keineswegs eine marginale Gruppe von ‚Spinnern/innen‘, sondern ein in ganz Deutschland agierender Zusammenhang von tausenden von Mitstreitern/innen. Ich finde auch einiges, was auf KenFM zur Corona-Politik gesagt wird, gut und richtig. Doch das ist nicht der Punkt, warum ich KenFM problematisch finde.

 

a) Das ‚Schema Ken‘ – Generalschlüssel zur Erklärung der Wirklichkeit

Der Witz an KenFM ist, dass dort immer wieder wichtige Themen und richtige Punkte aufgegriffen werden, aber stets in ein bestimmtes Großnarrativ integriert werden – und das ist das Problematische an diesem Portal. Es macht daher wenig Sinn, mit Ken Jebsen und seinen Fans über einzelne Punkte zu debattieren1)Ich werde daher im Folgenden auch nur vereinzelt einzelne Behauptungen Jebsens nachprüfen. – Die Mühe lohnt sich meist ohnehin nicht, da Jebsens seinerseits überhaupt keine oder offensichtlich absurde Argumente für seine Thesen anführt bzw. ihre Absurdität auf den ersten Blick offensichtlich ist. Mühevoll ist die Überprüfung der einzelnen Behauptung vor allem deshalb, weil es sich meist um Halbwahrheiten handelt, die genau aufzudröseln natürlich umfassende eigene Recherchen verlangt. – Das ist natürlich ein wichtiger Teil der rhetorischen Strategie Jebsens: Einfach mal steile Thesen in den Raum zu werfen, deren präzise Widerlegung so zeitintensiv ist, dass sich niemand die Mühe macht. – was man erkennen muss, ist das dahinterstehende Großnarrativ, das Jebsen & Co. immer wieder mehr oder weniger subtil vermitteln. Dieses Narrativ – zu Deutsch: diese Erzählung – zu erkennen, braucht es eine gewisse intellektuelle Schulung und ich werfe niemandem vor, es nicht sofort zu sehen. Ich selbst habe mir in den letzten Tagen sehr viele Videos und Artikel auf KenFM angesehen (ich hatte mich um Jebsen zuletzt 2017 gekümmert im Kontext der ‚Berliner Kino-Affäre‘, aber das ist eine andere Geschichte …), um dieses Narrativ möglichst klar erkennen und belegen zu können. Mein Ziel ist es also im Folgenden, zu begründen, warum ich KenFM für ein grundsätzlich problematisches Portal halte, mit dem man wirklich nur in begründeten Einzelfällen kooperieren sollte, aber von dem eine kritische Distanz zwingend erforderlich ist.

Das Standardnarrativ, dass man in nahezu allen Produktionen von KenFM vorfinden kann, lautet: Es gibt ein erstmal unschuldiges Volk, das ja eigentlich erst einmal nur ‚das Gute‘ will – dieses zu erreichen wird es jedoch verhindert durch eine böse Elite; womit freilich nicht so sehr diejenigen gemeint sind, die auf den ersten Blick die Macht haben (Politiker/innen und Unternehmer/innen), sondern im Geheimen agierende Kreise, deren Wirken sich großteils im Verborgenen abspielt. Wer genau Teil dieser Elite ist, dazu wird verschwiegen, oft ist von der „Finanzelite“2)https://kenfm.de/tagesdosis-30-3-2020-corona-crash-politik-und-wissenschaft-als-helfershelfer-der-finanzelite-2/ oder der „Hochfinanz“3)https://kenfm.de/tagesdosis-13-12-2019-fake-klimarettung-zur-rettung-der-eliten/ die Rede. Diese kleine Elite erhält ihre Macht vor allem dadurch aufrecht, dass sie das eigentlich einige Volk spaltet und bspw. Linke und Rechte gegeneinander aufbringt, so dass sie gegeneinander kämpfen, anstatt gemeinsam die Elite zu stürzen.

b) Querfront gegen die „Finanzoligarchie“

Die Rhetorik ist dabei meist: Wie haben doch eigentlich alle ein Ziel – wir wollen bspw. doch eigentlich alle für ‚den Frieden‘ kämpfen. Es gibt ein Video von einem von Jebsens ‚Buddys‘, dem Friedensforscher Daniele Ganser4)Gibt man seinen Namen bei KenFM ein, kommt man auf etwa 600 Treffer, er ist wirklich neben Jebsen selbst einer der Hauptprotagonisten dieser Szene und gilt als ‚seriösester‘ Vertreter von Verschwörungstheorien zu 9/11 in Deutschland., in dem diese Denkweise recht gut auf den Punkt gebracht wird: Es gäbe Millionen Themen und Millionen Standpunkte und man müsse eben, wenn man etwas zu einem Thema erreichen wolle, die Meinungen seiner Mitstreiter/innen zu den anderen Themen ausblenden.5)Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=OVoPT53DwyU

Diese Denkweise wirkt auf den ersten Blick sehr plausibel und ist auch sicherlich nicht vollkommen falsch, doch sie abstrahiert eben davon, dass grundsätzliche politische Standpunkte eben etwas anderes sind als eine Summe von Meinungen zu bestimmten Themen. Die Begriffe ‚links‘ und ‚rechts‘ bezeichnen fundamentale Werturteile: ‚Links‘ bedeutet, einen universalistischen Standpunkt zu vertreten und für die Abschaffung aller Herrschaftsverhältnisse weltweit zu kämpfen, ‚rechts‘, von einer partikularen Gemeinschaft auszugehen und deren Position sichern zu wollen.  Ebenso verhält es sich mit ökologischen oder liberalen Haltungen. Es geht hier nicht darum, dass der eine lieber Sauerkraut und die andere lieber Pommes isst: Es geht darum, welche Grundwerte man vertritt.Interessanterweise grenzen sich mit genau diesem Argument auch Rechtsradikale ganz offen von „Nicht ohne uns“ ab. Hier wird der rechte Video-Blogger Oliver Flesch etwa mit den Worten zitiert: „Querfront um jeden Preis? Niemals! Falls einer […] auf der Demo in Berlin war: Ihr wisst schon, dass diese Demo-Reihe von Kommunisten organisiert wird, die sich ‚Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand‘ nennen? Fragt die Jungs vom KDW doch mal, was sie von der AfD halten, von ihrem Heimatland, und wie sie zur kulturfremden Masseneinwanderung stehen.“

Es ist eine ganz naive Haltung, zu meinen, man könne als Linke/r zusammen mit Leuten für ‚den Frieden‘ kämpfen, denen es vor allem um das Wohl ihres jeweiligen ‚Volkes‘ geht und nicht um die Menschheit als Ganze – nicht zuletzt deshalb, weil die Nationalisten/innen eine Denkweise haben, die dem Weltfrieden als Ziel logischerweise entgegengesetzt ist. Mit den Grundrechten verhält es sich genauso: Will man wirklich mit Leuten für Grundrechte demonstrieren, die dieselben Rechte Menschen mit Migrationshintergrund am liebsten aberkennen wollen? Die wichtige Grundrechte wie das Asylrecht (Art. 16 GG) abschaffen oder zumindest stark beschneiden wollen? Die eine Partei unterstützen, die bisher nicht gerade als starke Verteidigerin der Grundrechte in Erscheinung getreten ist und eine weitaus autoritärere Politik als die jetzige Regierung betreiben würde, wäre sie einmal an der Macht?6)Interessanterweise grenzen sich mit genau diesem Argument auch Rechtsradikale ganz offen von „Nicht ohne uns“ ab. Hier wird der rechte Video-Blogger Oliver Flesch etwa mit den Worten zitiert: „Querfront um jeden Preis? Niemals! Falls einer […] auf der Demo in Berlin war: Ihr wisst schon, dass diese Demo-Reihe von Kommunisten organisiert wird, die sich ‚Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand‘ nennen? Fragt die Jungs vom KDW doch mal, was sie von der AfD halten, von ihrem Heimatland, und wie sie zur kulturfremden Masseneinwanderung stehen.“

Die Rechten tun sich nicht zufällig schwer damit, eine adäquate Antwort auf Corona zu formulieren. Sie schwanken dazwischen, die übliche Politik der ‚Sicherheit und Ordnung‘ zu verfolgen und zugleich diejenigen Wähler/innen (und natürlich ihre wichtigste Zielgruppe: die Wirtschaft) nicht zu verschrecken, denen individuelle Freiheit wichtig ist (die für sie vor allem die Freiheit ist, ihre Privilegien uneingeschränkt ausüben zu können und ihrer Willkür nachzugehen).7)Sellner löst diesen Konflikt bspw. in dem oben zitierten Artikel dadurch auf, dass er ‚verantwortungslose Migranten/innen‘ zu den Sündenböcken der Zwangsmaßnahmen erklärt. Sie sind nun konfrontiert mit einer Krise, die die ganze Welt gleichermaßen betrifft, und die starke Eingriffe des Staats, wie sie zumindest von ‚libertären‘ Rechten generell eher abgelehnt werden, geradezu notwendig machen.

Man kann die Position von Jebsen, Ganser und Co. also durchaus als eine – natürlich sehr geschickt formulierte und sehr harmlos daherkommende – Querfront-Position bezeichnen: Ein Bündnis des gesamten „Volkes“ gegen die „Finanzoligarchie“8)https://kenfm.de/soros-und-merkel-zum-neuen-jahr/.

 

c) Wer steckt hinter der ‚Weltverschwörung‘? Soros und Gates als ‚Hauptfeinde‘

Wer gehört nun zu dieser „Finanzoligarchie“ genau? Ein jüngst erschienener Artikel ist in dieser Hinsicht besonders aufschlussreich, da er zugleich auch etwas grundsätzliches über die Funktionsweise von KenFM verrät: Er stammt aus der Feder von Dagmar Henn und es geht darin um das Gutachten der wissenschaftlichen Akademie Leopoldina, in dem ein baldiges Ende des deutschen Lockdown gefordert wird und eine rasche Rückkehr zur Normalität. Dieses Gutachten dient den linken Lockdown-Kritikern/innen nun oft als Beleg dafür, dass ein Ende des Lockdown eine wirtschaftsfreundliche Forderung sei, da die Leopoldina seit jeher ein wirtschaftsnahes Institut gewesen sei. Diese Argumentation ist natürlich manipulativ, da sie unterschlägt, dass es auch viele nicht-wirtschaftsnahe Stimmen gibt, die dieselbe Forderung erheben, aber sei’s drum … Entgegen der Lockdown-kritischen Leitlinie von KenFM stimmt Henn nun interessanterweise in diese Kritik mit ein und schreibt zur Finanzierung der Leopoldina: „[D]ie größeren Brocken stammen wahrscheinlich von den üblichen Verdächtigen, wie Bertelsmann, Bosch oder gar Soros“9)https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a2-leopoldina-gutachten-das-angekuendigte-opfer/.

Man sieht, dass man Jebsens Denkschema je nach Belieben wenden kann: Man kann entweder behaupten, der Lockdown sei eine ‚volksfeindliche‘ Politik im Sinne der „Finanzoligarchie“ – man kann aber auch das genaue Gegenteil verfechten. Hauptsache, man kann den realen politischen Geschehnissen einigermaßen glaubhaft dasselbe Narrativ überstülpen. Dies geschieht in diesem Satz witzigerweise ohne jeden empirischen Beleg: Man weiß ja eh schon, dass „die“ dahinterstecken müssen.

Soros ist ein Name, der in diesem Zusammenhang oft fällt. In einem Text von Ulrich Gellermann wird er auch als „der Chef der Finanz-Oligarchen“10)https://kenfm.de/soros-und-merkel-zum-neuen-jahr/bezeichnet. Er wird insbesondere für die verdeckte Finanzierung von scheinbar linken Projekten verantwortlich gemacht, die eben das Volk spalten und helfen sollen, dem Neoliberalismus zum Sieg zu verhelfen. In einem Video behauptet Jebsen etwa, Soros habe den „Women’s March on Washington“ am 21. Januar 2017 gegen die Politik Trumps finanziert. Als Hauptindiz für diese These führt Ken Jebsen an, dass die Frauen auf der ganzen Welt pinke Mützen getragen hätten – da könne ja nur ein Großfinanzier dahinterstecken, klar. Soros’ Motiv sei es, abgetriebene Embryonen für die Pharmaindustrie verwerten zu können.11)Nur mal so nebenbei: Man warf schon im Mittelalter den Juden gerne vor, Christenkinder zu entführen und zu essen. In dem Video geht es ansonsten darum, Trump als Opfer der Mainstreammedien darzustellen, der von ihnen zu Unrecht verfemt werde, obwohl er eine eigentlich rationale Politik verfolge.

Im Zuge der Corona-Krise gerät nun jedoch ein neuer ‚Hohepriester‘ der „Hochfinanz“ ins Visier, der zuvor eher eine Nebenrolle spielte: Bill Gates. In zig Artikeln wird Gates zum Hauptverantwortlichen hinter der Lockdown-Politik erklärt, die in Wahrheit darauf abziele, seine Agenda einer Zwangsimpfung für alle durchzusetzen. Es gibt dabei zwei Versionen, was seine wahren Absichten ist: Entweder, er will sich einfach nur persönlich bereichern, weil er an einer großen Herstellerin eines Impfstoffs gegen Corona beteiligt sei12)Vgl. https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a2-rechtsanwaeltin-beate-bahner-in-psychiatrie-podcast/ – oder, noch gruseliger, Gates verfolge damit einen geheimen Plan zur Dezimierung der Weltbevölkerung13)Vgl. https://kenfm.de/der-impfaktivismus-der-gates-stiftung/. Als Beleg dafür wird folgendes, authentisches14)Vgl. https://youtu.be/JaF-fq2Zn7I, Zitat von ihm angeführt:

Auf der Welt leben heute 6,8 Milliarden Menschen. Das steigt auf etwa 9 Milliarden an. Wenn wir nun bei den neuen Impfstoffen, der Gesundheitsfürsorge und der Familienplanung wirklich gute Arbeit leisten, könnten wir diese Zahl vielleicht um 10 oder 15 Prozent senken.

(NB: Ja, dieses Zitat ist in der Tat ein wenig seltsam, weil nicht klar ist, inwiefern neue Impfstoffe zur Absenkung des Bevölkerungswachstums beitragen könnten. Ich kann es mir kaum anders als durch einen Fehler Gates’ erklären.)

Wieder einmal also das altbekannte Narrativ: Ein Superreicher will sich nicht nur bereichern, was ja noch irgendwie rational wäre – es verfolgt sogar einen diabolischen Plan und schreckt zur Erfüllung dieses Plans nicht davor zurück, die Welt monatelang in den Shutdown zu versetzen.

Alle diese Beispiele demonstrieren deutlich: Hier geht es um eine Denkweise, die mit einer rationalen Aufdeckung von Machtstrukturen nichts zu tun hat und die letztendlich nur der Rechten in die Hände spielt, auch wenn sie sich als irgendwie ‚überpolitisch‘ versteht. Denn die realexistierende kritische Bewegung, wie etwa die Frauenbewegung, sei ja nur von der „Finanzelite“ gesteuert, um „das Volk“ zu spalten. Auch die linke und liberale Presse: Alle von Soros & Co. gekauft. – Und ist es ein Zufall, dass hier nun wieder ein Jude als „Chef der Finanz-Oligarchen“ agiert? Ist Jebsens Narrativ nicht strukturell genau dasselbe, dessen sich Antisemiten/innen seit spätestens dem 19. Jahrhundert bedienen, auch wenn er solche ‚naiven‘ Verschwörungstheorien immer wieder kritisiert: Dass die Juden eine Weltverschwörung bilden, bei der sie gezielt die Arbeiter/innenbewegung fördern, um einen falschen Keil ins „Volk“ zu treiben? Das kann man so bereits in den vermeintlichen Protokollen der Weisen von Zion nachlesen, in denen sogar die antisemitische Bewegung noch als Marionette der Weltverschwörung aus den obersten Juden und Freimaurern bezeichnet wird.

Das ist eine vollkommen paranoide Weltsicht, die vor allem zu einem führt: Die wahren Machtstrukturen aus dem Blick zu verlieren, das Vertrauen in die wirkliche, also die linke, Opposition zu verlieren, letztlich keinen effektiven Widerstand mehr zu üben, sondern es bei Facebook-Posts gegen die „Finanzoligarchie“ zu belassen. Und wenn dieses Denken wirklich massenwirksam wird und zu einer praktischen Politik führt, kann diese Politik nichts anderes sein als die Bekämpfung von bloßen Sündenböcken: Gates und Soros und sonstige Mitglieder der „Finanzoligarchie“ werden gehängt, die Geschäfte laufen ansonsten so weiter wie bisher.15)Zugestanden: Jebsen distanziert sich immer wieder von solchen ‚naiven‘ Schlussfolgerungen, doch eigentlich folgen sie nur logisch aus seiner Denkweise. – Wie toll für die Unterschicht eine solche Politik wäre, zeigt indes hinreichend die von Jebsen verteidigte Regierung von Trump, die bislang vor allem durch gigantische Kürzungen im Bereich Soziales und Umwelt aufgefallen ist und noch gigantischere Steuersenkungen für die Reichsten – und das alles im Namen eines vermeintlichen ‚Kampfs gegen das Establishment‘.

Wenn man selbst Verschwörungstheoretiker/in wäre, müsste man sich eigentlich sicher sein: Wenn es jemanden gibt, der gekauft ist und subtile manipulative Propaganda fürs Kapital macht, dann ist das Ken Jebsen. (Nur mal zur Info: Es war ein harter Kampf, bis Arbeiter/innenparteien und Gewerkschaften überhaupt gegründet werden durften, sie werden bis heute von den entsprechenden Interessierten nur geduldet, weil von ihnen ein großer materieller Druck ausgeht. – Aber natürlich: Jebsen und Co. haben Recht, das alles ist nur ein inszeniertes Spektakel, um die Herrschaft der „Finanzoligarchie“ zu sichern!)16)Ganz dezidiert vertritt Jebsen diese Position etwa in diesem  Video: Die Demokratie sei nach der Französischen Revolution als Spektakel inszeniert worden, um dem Volk zu suggerieren, wirklich etwas zu sagen zu haben. Die Politiker seien „Schauspieler“ – egal ob nun von der Linkspartei oder der AfD kommen. – Die Frage ist eben, warum ausgerechnet Jebsen selbst kein von der „Hochfinanz“ eingerichteter „Schauspieler“ sein soll. – Er greift hier sichtlich auf Carl Schmitts Kritik der liberalen Demokratie zurück, der einer der wichtigen Nazi-Philosophen war und ähnlich wie Jebsen forderte, dass die bürgerliche Scheindemokratie durch eine echte ‚Volks‘-Herrschaft ersetzt werde, also eine durch Plebiszite und andere ‚Bekundungen des unmittelbaren Volkswillens‘ legitimierte Diktatur. – Man kann anhand solcher Erwägungen Jebsens deutlich erkennen, dass es ihm keinesfalls um die Verteidigung der FDGO geht.

 

d) „Geldrebellen“ unter sich – Pflugers und Jebsens schelmische (Real-)Satire

Zur Abrundung und Bestätigung sei hier noch einmal ein Video ausführlicher diskutiert, das jüngst veröffentlicht wurde, ein Gespräch zwischen Jebsen und dem  Schweizer Autor und „Geldrebell“ (Jebsen) Christoph Pfluger, den Herausgeber der Buchreihe „Brennende Bärte“17)Der Titel bezieht sich dabei interessanterweise auf ein Zitat des Aphoristikers Georg Christoph Lichtenbergs, das auch in meinen Forschungen zur Philosophiegeschichte des Bartes eine entscheidende Rolle spielt (vgl. https://philosophie-indebate.de/3541/indepth-longread-lasst-tausend-baerte-spriessen-gegen-die-aesthetik-des-glatten/): „Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.“ Pfluger hatte selbst bis vor wenigen Jahren einen stattlichen Bart, Jebsen schmunzelt in dem Video, während Pfluger dieses Zitat vorträgt und streicht sich das kahlrasierte Kinn. Beide interpretieren diesen Aphorismus Lichtenbergs also sichtlich als Imperativ, so als müsse es darum gehen, den Leuten ihren Alltagsglauben kaputt zu machen, um sie radikal zur ‚Wahrheit‘ zu führen. Der Satz ist jedoch so zu verstehen, dass er ein Problem markiert – Lichtenberg will den Leuten den Bart nicht stutzen, er schreibt sogar an anderer Stelle: „[M]an soll mit dem Licht der Wahrheit leuchten, ohne einem den Bart zu sengen.“ Wie ist es möglich, die ja oftmals wichtigen und die Identität der Menschen definierenden Vorstellungen der Menschen intakt zu lassen und trotzdem die nötige Kritik zu üben? Lichtenberg steht nicht für das glättende Programm radikaler Aufklärung, sondern eher eine ‚sanfte‘ Methode der Anerkennung der Notwendigkeit bestimmter basaler Unwahrheiten und ist damit direkter Vordenker Nietzsches. – Eine solche ‚Aufklärung der Aufklärung‘ täte auch den beiden Rasurapologeten Jebsen und Pfluger gut, die sich im Besitz der ‚Wahrheit‘ wähnen – vielleicht hilft es ja gerade zumindest, dass die Friseure zuhaben. und häufiger Gast bei Jebsen.18)https://kenfm.de/christoph-pfluger/ Der Anfang dieses Videos ist sehr aufschlussreich für Jebsens Vorgehensweise im Allgemeinen und sei hier daher ausführlich zitiert:

Wir leben in kafkaesken Zeiten. Auf der einen Seite maximal Überproduktion, auf der anderen Seite bittere Armut. Schuld daran ist unser Geldsystem und das führt zu diesen enormen Verwerfungen, im Moment haben acht Männer so viel wie 3,5 Milliarden Menschen. Wie können wir dieses Geldsystem überwinden, Zins und Zinseszins, die Expotentialfunktion19)Diese Stelle ist in Zeiten von Corona natürlich unfreiwillig komisch.? Wie gehen wir’s an? Jedenfalls nicht mit Gewalt, denn das System ist vorbereitet: Es hat auch keinen Sinn, die Protagonisten des Systems zu attackieren, denn sie würden nur durch neue ersetzt. Wir müssen den wahren Feind erkennen und der wahre Feind ist …

Auf den ersten Blick wirken diese Sätze nun so, als würde sich Jebsen hier in fast schon ‚marxistischer‘ Manier von einer personalisierenden Gesellschaftskritik distanzieren, es fehlt nur noch, dass er so etwas sagt wie „die kapitalistische Produktionsweise“. Aber nein, die Wahrheit liegt viel tiefer: „… die Ideologie, der Glaube ans Geld. Wir alle glauben ans Geld und die Banken sind gigantische Kirchen.“

Letztendlich läuft es also doch wieder auf die „üblichen Verdächtigen“ hinaus: Die Mächtigen, die das Volk manipulieren und zum „Glaube ans Geld“ verführen. Fast alle Menschen sind in diesem ‚Wahn‘ befangen, politische Praxis ist nahezu aussichtslos.

Man sieht hier, wie Jebsen erst einmal, halbwegs, vernünftige Gedanken artikuliert: An den ersten beiden Sätzen ist überhaupt nichts auszusetzen, die treffen genau ins Schwarze. Beim nächsten Satz beginnt man schon stutzig zu werden: Warum denn „Geldsystem“ und nicht „Kapitalismus“? Aber gut, überhören wir das … Es folgen dann Sätze, die nach der linken Parole „Don’t fight the players, fight the game“ klingen – und dann eben der Absturz ins Bodenlose – ähm, pardon: die „Wahrheit“.

(Ein kleiner Exkurs: Was an dieser Stelle bemerkt werden muss, ist freilich, dass Jebsens Denken demjenigen von vielen Linksradikalen, die ihn kritisieren, gar nicht mal so verschieden ist: Auch die wollen häufig nicht über konkrete Machtstrukturen sprechen, sondern reden ganz abstrakt vom „Kapitalismus“, den es abzuschaffen gelte, und der letztendlich ein ideologisches Konstrukt sei, das man durchschauen müsse, um erst Klarheit zu gewinnen und dann auch den Rest der Bevölkerung irgendwie aufzuklären. Eine wirksame und tatsächlich an Marx und Co. orientierte linke Politik geht hingegen von einer konkreten Analyse der wirklichen Machtverhältnisse aus und davon, dass die Unterdrückten durchaus eine richtige spontane Einsicht in die Verhältnisse haben. Es geht nicht darum, die Menschen von einem ‚ganz anderen Denken‘ zu überzeugen – es müsse vielmehr darum gehen, sie an ihre wirklichen Interessen zu erinnern und diese zu organisieren. So geht jedenfalls der Mainstream der linken Bewegung vor, über die Verschwörungstheoretiker/innen wie Jebsen und radikale ‚Ideologiekritiker/innen‘ gleichermaßen die Nase rümpfen – und das seit 200 Jahren nicht ohne Erfolg. – Womit ich nicht sagen will, dass diese ‚Linksradikalen‘ selbst ‚Verschwörungstheoretiker/innen‘ o. ä. wären – doch ich denke durchaus, dass beide Denkweisen gleichermaßen nichts weiter machen, als Ressentiments zu reproduzieren und ein Ohnmachtsgefühl zu fördern, das den Mächtigen nur dienlich sein kann. Sie entfalten eine toxische, demobilisierende Wirkung auf eine effektive linke Bewegung.)

Jedenfalls sei es ja mittlerweile hinreichend bekannt, was die „Geldelite“ (so Jebsen in dem Gespräch) so treibe und nun müsse es darum gehen, wirksame Strategien zu entwickeln, um dieses Joch zu brechen und die „Wahrheit“ unter die tumbe Masse zu bringen. Bis es dahin kommt, muss natürlich erst einmal die „Wahrheit“ ausgebreitet werden, die da lautet: Mit der neolithischen Revolution wurde das bis heute gültige „Geldsystem“ etabliert, das die Menschen auspresse. Ein bedeutender Kritiker des „Geldsystems“, der zitiert wird: Der Kapitalist Henry Ford, der gesagt haben soll: „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ – Auch ‚ehrliche Kapitalisten‘ gehören also anscheinend zur Opposition gegen das „Geldsystem“ dazu. (Nebenbemerkung: Ford war übrigens ein sehr umtriebiger antisemitischer Agitator. – Diese seltsamen Zufälle auch immer!)

Das „Geldsystem“ besteht, kurz gesagt, darin, dass es Gläubiger und Schuldner gibt und die Gläubiger den Schuldnern Geld verleihen, das sie „aus dem Nichts“ schaffen – damit nun diese Schulden bedient werden können, müssen die Gläubiger den Schuldnern dann neues Geld verleihen und so kommt es zu einer sich selbst verstärkenden Dynamik eines sich stetig verschärfenden Wachstumszwangs, der schließlich irgendwann zum Kollaps des Systems führen muss. – Von Ausbeutungsverhältnissen im Sinne von Marx ist ‚komischerweise‘ keine Rede, das einzige Problem sei die Finanzwirtschaft (das „1 %“), die Arbeiterklasse und Unternehmer (die „99 %“) gleichermaßen ausbeute. 30 % des BIP flössen so in private Taschen und würden den Schuldnern/innen weggenommen. Das Hauptproblem: „das Geld und seine Ideologie“.

Als Oppositionsbewegung führen die beiden Systemdurchschauer Jebsen und Pfluger die Klimabewegung an. Die Kernkritik: Die Klimabewegung habe zwar richtige Ansätze, doch konzentriere zu sehr die Debatte auf CO2 und spalte dadurch die Ökologiebewegung. Die „Finanzoligarchie“ habe daher, so Pfluger, die grüne Bewegung gekapert, diese sitze mit jener „mit im Boot“, bestimme jedoch nicht die Richtung. Und Jebsen geht sogar noch weiter: „Fridays for Future“ seien nicht nur gekapert worden von der „Finanzoligarchie“, sondern sogar von dieser sogar in die Welt gesetzt worden. Warum? Eben, um die soziale Bewegung zu spalten, denn die Kids bei FFF würden etwa nicht über Friedenspolitik sprechen, obwohl das Militär doch einer der größten Klimasünder sei. An diesem Punkt wird es sogar Pfluger zu bunt und er winkt freundlich ab.

Es sind eben Stellen wie diese, an denen die wahre soziale Funktion von Demagogen/innen von Jebsen mehr als deutlich kenntlich wird: die realexistierende, wirksame Opposition, die den Herrschenden nun einige Zugeständnisse abgetrotzt hat, schwächen, für eine fiktive und wirkungslose Pseudoopposition werben. Interessanterweise hält er sich plötzlich gar nicht an die Weisheiten seines Freundes Ganser: Er müsste doch eigentlich akzeptieren, dass die Leute von FFF andere Meinungen zu anderen Themen haben als er. So müsste er doch denken, wenn es ihm wirklich um eine Bekämpfung des Klimawandels, der an dieser Stelle weder von Jebsen noch von Pfluger als Faktum geleugnet wird, ginge. Aber nein: Das ginge ja nun gar nicht, nur gegen den Klimawandel zu demonstrieren! Man müsse doch eine viel umfangreichere und grundsätzlichere Agenda verfolgen! – Man sieht hier deutlich, dass die Querfrontrhetorik in der Praxis nur immer heißt, dass sich die linken Bündnispartner der rechten Agenda unterwerfen müssen – tun sie es nicht, dann sind sie ja Spalter/innen und man hat das Recht, sich von ihnen seinerseits abzuspalten.

Dabei ist das alles natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen: Das Thema CO2-Reduktion steht bei FFF sicher im Fokus und man mag diese Fokussierung kritisieren, doch ich kenne niemanden, der der grünen Bewegung nahesteht und der nicht auch Umweltschutz allgemein, den Frieden, soziale Gerechtigkeit etc. als wichtige Themen benennen würde. – Genauso gut könnte man „Nicht ohne uns“ als ‚Spaltpilz‘ interpretieren, der durch die Betonung liberaler Themen nur von den sozialen ablenken will etc. Jede politische Bewegung hat eben Themen, die sie besonders in den Vordergrund rückt und andere, die sie eher hintenanstellt.

Die Lösung nun statt unsinnigen Demonstrierens, Revoltierens etc.: „soziale Homöopathie“. (Es wird nach allem bisher gesagten wenig überraschen, dass Jebsen und Pfluger sich einen Exkurs nicht verkneifen können, in dem behauptet wird, dass die Homöopathie eigentlich hochwirksam und wissenschaftlich verifiziert sei und von der Pharmaindustrie unterdrückt werde.20)Man halte sich das bitte vor Augen: Jebsen ist ernsthaft der Ansicht, dass Impfungen unwissenschaftlich und schlecht seien, womöglich sogar tödlich, die Homöopathie jedoch hoch wissenschaftlich!) Das bedeutet: Scheinbar das Gegenteil von dem vertreten, was man eigentlich meint, um dadurch „die natürlichen Gesundungskräfte der Gesellschaft“ zu aktivieren. Man soll den Leuten beispielsweise nicht sagen: „Glaube nicht ans Geld“, sondern: „Glaube ans Geld“ oder „Vertraue den Banken“, um einen Erkenntnisprozess in Gang zu setzen.

Früher nannte man so etwas satirische Performance, nun eben „soziale Homöopathie“ – interessant ist die Idee allemal. Derartige Aktionen können durchaus viel bewirken und waren stets ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten politischer Protestbewegungen. Ja: Man sollte den Protest nicht bierernst, sondern auch mit einer Prise Humor und Selbstironie betreiben. Da könnte Jebsen – der sich in dem Gespräch immer wieder krampfhaft darum bemüht, ‚komisch‘ zu sein und ‚auch mal zu lachen‘ – wirklich mal was von lernen. Es ist eben nur völlig überzogen, dieses ‚neue Konzept‘ als den Schlüssel zur Bekämpfung des „wahren Feindes“ anzupreisen.

Vielleicht befolgt Jebsen dieses Konzept in Wahrheit schon immer und sein gesamtes Treiben ist also als große Satire zu betrachten, die eigentlich das Gegenteil von dem bewirken will, was sie anscheinend fordert? Leider wohl nicht – aber wenden wir im Folgenden dieses Wundermittel doch einfach mal probeweise an.

 

e) Aluhut ab vor Jebsen, dem Volksaufklärer!

Ja, wir müssen Jebsen und Co. unbedingt mit ins Boot holen! Er ist einer der bedeutendsten kritischen Journalisten/innen, ein mutiger Kämpfer für Aufklärung und Liberalismus, mit dem jede Zusammenarbeit nur nützen kann! Er zeigt klar Front gegen rechts! Er ist unbestechlich und lässt sich nichts vormachen: Klimawandel? Coronakrise? Klassenkampf? Frauenrechte? – Alles Quatsch, lasst uns lieber gemeinsam nach New York ziehen und Herrn Soros mal einen Besuch mit dem Baseballschläger abstatten!

Und wozu demonstrieren wir eigentlich noch gegen die Coronapolitik? Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, über die Machenschaften von Gates aufzuklären – sobald dieser Schuft endlich weg ist, ist auch die Seuche verschwunden! Wir sollten nicht weniger, wir sollten mehr mit diesem verdienstvollen Antifaschisten kooperieren! Es droht ein durch die Zwangsimpfung verursachtes Massensterben mit Millionen von Toten!

Hören wir sofort auf, an das Geldsystem zu glauben! Gehen wir einfach nicht arbeiten. Hören wir auch endlich auf, an Corona zu glauben – das ist die beste Medizin, sogar noch wirksamer als Homöopathie!

 

Spaß beiseite und zusammengefasst: Jebsen ist genau deswegen so gefährlich, weil er richtige Punkte aus oppositionellen Debatten aufgreift und dadurch zunächst einmal kritisch wirkt. Doch alles, was er anfasst, verwandelt sich sofort in Kohle: Er saugt es auf und integriert es in sein irrwitziges und politisch brandgefährliches Narrativ. Auch wir Oppositionelle drohen, in sein perfides Spiel zur Schwächung der linken Opposition und zur Stärkung der Rechten hineingesogen zu werden, wenn wir nicht sofort die Reißleine ziehen. – Unsere Bewegung würde sonst drohen, zu einer Art Wiederholung der „Mahnwachen“ zu werden und man weiß, wohin das führt.

Fußnoten

Fußnoten
1 Ich werde daher im Folgenden auch nur vereinzelt einzelne Behauptungen Jebsens nachprüfen. – Die Mühe lohnt sich meist ohnehin nicht, da Jebsens seinerseits überhaupt keine oder offensichtlich absurde Argumente für seine Thesen anführt bzw. ihre Absurdität auf den ersten Blick offensichtlich ist. Mühevoll ist die Überprüfung der einzelnen Behauptung vor allem deshalb, weil es sich meist um Halbwahrheiten handelt, die genau aufzudröseln natürlich umfassende eigene Recherchen verlangt. – Das ist natürlich ein wichtiger Teil der rhetorischen Strategie Jebsens: Einfach mal steile Thesen in den Raum zu werfen, deren präzise Widerlegung so zeitintensiv ist, dass sich niemand die Mühe macht.
2 https://kenfm.de/tagesdosis-30-3-2020-corona-crash-politik-und-wissenschaft-als-helfershelfer-der-finanzelite-2/
3 https://kenfm.de/tagesdosis-13-12-2019-fake-klimarettung-zur-rettung-der-eliten/
4 Gibt man seinen Namen bei KenFM ein, kommt man auf etwa 600 Treffer, er ist wirklich neben Jebsen selbst einer der Hauptprotagonisten dieser Szene und gilt als ‚seriösester‘ Vertreter von Verschwörungstheorien zu 9/11 in Deutschland.
5 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=OVoPT53DwyU
6 Interessanterweise grenzen sich mit genau diesem Argument auch Rechtsradikale ganz offen von „Nicht ohne uns“ ab. Hier wird der rechte Video-Blogger Oliver Flesch etwa mit den Worten zitiert: „Querfront um jeden Preis? Niemals! Falls einer […] auf der Demo in Berlin war: Ihr wisst schon, dass diese Demo-Reihe von Kommunisten organisiert wird, die sich ‚Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand‘ nennen? Fragt die Jungs vom KDW doch mal, was sie von der AfD halten, von ihrem Heimatland, und wie sie zur kulturfremden Masseneinwanderung stehen.“
7 Sellner löst diesen Konflikt bspw. in dem oben zitierten Artikel dadurch auf, dass er ‚verantwortungslose Migranten/innen‘ zu den Sündenböcken der Zwangsmaßnahmen erklärt.
8 https://kenfm.de/soros-und-merkel-zum-neuen-jahr/
9 https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a2-leopoldina-gutachten-das-angekuendigte-opfer/
10 https://kenfm.de/soros-und-merkel-zum-neuen-jahr/
11 Nur mal so nebenbei: Man warf schon im Mittelalter den Juden gerne vor, Christenkinder zu entführen und zu essen.
12 Vgl. https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a2-rechtsanwaeltin-beate-bahner-in-psychiatrie-podcast/
13 Vgl. https://kenfm.de/der-impfaktivismus-der-gates-stiftung/
14 Vgl. https://youtu.be/JaF-fq2Zn7I
15 Zugestanden: Jebsen distanziert sich immer wieder von solchen ‚naiven‘ Schlussfolgerungen, doch eigentlich folgen sie nur logisch aus seiner Denkweise.
16 Ganz dezidiert vertritt Jebsen diese Position etwa in diesem  Video: Die Demokratie sei nach der Französischen Revolution als Spektakel inszeniert worden, um dem Volk zu suggerieren, wirklich etwas zu sagen zu haben. Die Politiker seien „Schauspieler“ – egal ob nun von der Linkspartei oder der AfD kommen. – Die Frage ist eben, warum ausgerechnet Jebsen selbst kein von der „Hochfinanz“ eingerichteter „Schauspieler“ sein soll. – Er greift hier sichtlich auf Carl Schmitts Kritik der liberalen Demokratie zurück, der einer der wichtigen Nazi-Philosophen war und ähnlich wie Jebsen forderte, dass die bürgerliche Scheindemokratie durch eine echte ‚Volks‘-Herrschaft ersetzt werde, also eine durch Plebiszite und andere ‚Bekundungen des unmittelbaren Volkswillens‘ legitimierte Diktatur. – Man kann anhand solcher Erwägungen Jebsens deutlich erkennen, dass es ihm keinesfalls um die Verteidigung der FDGO geht.
17 Der Titel bezieht sich dabei interessanterweise auf ein Zitat des Aphoristikers Georg Christoph Lichtenbergs, das auch in meinen Forschungen zur Philosophiegeschichte des Bartes eine entscheidende Rolle spielt (vgl. https://philosophie-indebate.de/3541/indepth-longread-lasst-tausend-baerte-spriessen-gegen-die-aesthetik-des-glatten/): „Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.“ Pfluger hatte selbst bis vor wenigen Jahren einen stattlichen Bart, Jebsen schmunzelt in dem Video, während Pfluger dieses Zitat vorträgt und streicht sich das kahlrasierte Kinn. Beide interpretieren diesen Aphorismus Lichtenbergs also sichtlich als Imperativ, so als müsse es darum gehen, den Leuten ihren Alltagsglauben kaputt zu machen, um sie radikal zur ‚Wahrheit‘ zu führen. Der Satz ist jedoch so zu verstehen, dass er ein Problem markiert – Lichtenberg will den Leuten den Bart nicht stutzen, er schreibt sogar an anderer Stelle: „[M]an soll mit dem Licht der Wahrheit leuchten, ohne einem den Bart zu sengen.“ Wie ist es möglich, die ja oftmals wichtigen und die Identität der Menschen definierenden Vorstellungen der Menschen intakt zu lassen und trotzdem die nötige Kritik zu üben? Lichtenberg steht nicht für das glättende Programm radikaler Aufklärung, sondern eher eine ‚sanfte‘ Methode der Anerkennung der Notwendigkeit bestimmter basaler Unwahrheiten und ist damit direkter Vordenker Nietzsches. – Eine solche ‚Aufklärung der Aufklärung‘ täte auch den beiden Rasurapologeten Jebsen und Pfluger gut, die sich im Besitz der ‚Wahrheit‘ wähnen – vielleicht hilft es ja gerade zumindest, dass die Friseure zuhaben.
18 https://kenfm.de/christoph-pfluger/
19 Diese Stelle ist in Zeiten von Corona natürlich unfreiwillig komisch.
20 Man halte sich das bitte vor Augen: Jebsen ist ernsthaft der Ansicht, dass Impfungen unwissenschaftlich und schlecht seien, womöglich sogar tödlich, die Homöopathie jedoch hoch wissenschaftlich!

7 Comments

  1. Roman Schmidbauer schrieb:

    Ich glaube, wogegen ich tatsächlich etwas allergisch bin, ist die Aufforderung, zur „Wahrheit“ zu gelangen und meine „wirklichen Interessen“ wahrzunehmen. 

    Das machen die Gewerkschaften doch genauso wie Ken Jebsen. Meine Interessen ergeben sich aus meinem Leben und meinen Erfahrungen und sind erst mal nur sehr bedingt verallgemeinerbar.

    Ich glaube, diese verschwörungstheoretische Sicht hat auch viel damit zu tun, dass man sich nicht als Arbeiter sondern als selbstständig wahrnimmt. Wenn man gar nicht ausgebeutet wird ist es ein Rätsel, woher das eine Prozent so viel Geld hat.

    Und wenn man seinen ganz eigenen Weg geht, gewinnt man wahrscheinlich auch schnell Respekt vor allen, die „anders“ denken, egal ob sie nun links oder rechts sind. Die Erfahrung ständig gegen Windmühlen zu kämpfen machen solche Leute ja eh.

    Letztlich sind sie in so fern tatsächlich die „krasseren Rebellen“, dass sie sich wirklich vorstellen können, dass sämtliche Informationen, die uns zur Verfügung stehen bis zu Impfungen und Homöopathie gelogen sind. Vielleicht ist das auch so etwas wie Paranoia?

    Donnerstag, 30. April 2020 um 03:31 Uhr | Permalink
  2. Roman Schmidbauer schrieb:

    Ich glaube, warum ich mich nicht distanzieren will/wollte, liegt auch daran, dass viele der Verschwörungstheoretiker tatsächlich sehr am Rande der Gesellschaft stehen und es nicht leicht haben.

    Wobei man ja auch sagen könnte, Jebsen nutzt das aus, indem er diese Vorstellungen auch noch bedient (und wahrscheinlich auch Geld damit macht). Aber er glaubt ja doch relativ sicher auch selber, was er erzählt und er steht eben auch irgendwie am Rand der Gesellschaft und leidet dadurch.

    Dieses Leiden an der Paranoia ist ja real…

    Donnerstag, 30. April 2020 um 03:35 Uhr | Permalink
  3. Paul Stephan schrieb:

    Nachtrag zu dem Zitat aus dem Ted-Talk:

    Bill Gates geht wohl tatsächlich davon aus, dass Impfungen das Bevölkerungswachstum senken.

    Macht für mich prima facie keinen Sinn, aber es liegt jedenfalls nicht daran, dass man mit Absicht giftige Impfstoffe entwickeln würde. Hier wird’s erklärt:

    https://correctiv.org/faktencheck/2018/05/18/bill-gates-hat-nicht-gesagt-impfen-ist-die-beste-art-der-bevoelkerungsreduktion

    Diese Herangehensweise zeigt in der Tat den bornierten Blick von Bill Gates: So, als wäre die Überbevölkerung an sich das Problem und nicht eher die zu wenigen verfügbaren Ressourcen. Aber das Zitat ist eben kein Beleg dafür, dass Gates absichtlich giftige Impfstoffe entwickeln lassen würde.

    Donnerstag, 30. April 2020 um 10:39 Uhr | Permalink
  4. Paul Stephan schrieb:

    Mit der dritten Ausgabe der „Nicht ohne uns“-Zeitung ist das Aufgehen der Kampagne im Jebsen-Dunstkreis eindeutig kenntlich geworden, Anselm Lenz hat sich zudem wieder erneut von Ken Jebsen interviewen lassen.

    Freitag, 1. Mai 2020 um 02:28 Uhr | Permalink
  5. Tilman schrieb:

    Ich möchte folgenden drei Gedanken aus dem Kommentar zustimmen (besonders dem ersten):

    „Ich glaube, warum ich mich nicht distanzieren will/wollte, liegt auch daran, dass viele der Verschwörungstheoretiker tatsächlich sehr am Rande der Gesellschaft stehen und es nicht leicht haben.“

    „Wobei man ja auch sagen könnte, Jebsen nutzt das aus, indem er diese Vorstellungen auch noch bedient (und wahrscheinlich auch Geld damit macht).“

    „Aber er glaubt ja doch relativ sicher auch selber, was er erzählt und er steht eben auch irgendwie am Rand der Gesellschaft und leidet dadurch.“

    Sonntag, 3. Mai 2020 um 10:49 Uhr | Permalink
  6. Beppo Pfeiffer schrieb:

    Vielleicht stimmt es ja doch, dass das Virus für das Absurde steht?

    Ich versuche ja eigentlich schon seit Tagen, auch mal einen Artikel zu schreiben, aber egal wie viel man darüber nachdenkt, es macht einfach keinen Sinn…

    Dienstag, 12. Mai 2020 um 03:55 Uhr | Permalink
  7. Paul Stephan schrieb:

    Ja, das stimmt sicherlich!

    Dienstag, 12. Mai 2020 um 11:19 Uhr | Permalink

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