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Gastbeitrag: Überlegungen zu Fight Club

Überlegungen zu Fight Club

Ein Gastbeitrag von Sepehr Mashayekhi

„We’re the middle children of history, man. No purpose or place. We have no Great War. No Great Depression. Our great war is a spiritual war. Our great depression is our lives.“ (Tyler Durden)

Ein paar Gedanken über und um Fight Club (1999) herum: Es ist typisch für ein bestimmtes Feld der öffentlichen Diskurse, dass sie sich auf die Fetzen des Filmes stürzt, in denen er sich selbst als konsum- oder kapitalismuskritisch zu deuten scheint. Das ist ein Lieblingsthema der populären Kulturkritik. Hat man einmal genug Anhaltspunkte, um einen Film unter kapitalismuskritischen Gesichtspunkten zu behandeln, ist es bei einem Film wie Fight Club natürlich leicht zu zeigen, dass er selbst nur durch seine kommerziellen Elemente funktioniert. Der Film wird allzu sehr getragen von Brad Pitts Coolness und seinem sexy body, zu sehr vom Plot statt vom Bild usw. Es stimmt, bei genauerer Betrachtung ist dieser Film nicht unbedingt radikal subversiv oder antikapitalistisch. Eine Stärke des Filmes vielmehr ist die Lücke zwischen dem Leiden des Protagonisten und dessen Deutungen durch Tyler Durden. Woran leidet der Protagonist eigentlich, bevor Tyler ihm erklärt, dass der Kapitalismus sein Problem ist? Zu nennen nur wären die kornblumenblauen Krawatten des Chefs, die er dienstags trägt. Portionierter Zucker, portionierte Kaffeesahne, portionierte Freunde. Mikrowellen-Cordon-Bleu. Portioniertes Leben. Und vor allem: Schlafstörungen. Dieses Motiv des Leidens eines Einzelnen durch etwas Diffuses, Deutungsbedürftiges teilt der Film mit Taxi Driver. Auch hier ist das Kausalverhältnis von Gesellschaft und dem kaputten Leben diffus. Das trifft einen Nerv unserer Zeit. Das Leben der (jungen) Menschen heute wird weniger von Armut, Diskriminierung, Repression vergällt – Probleme, deren soziale Vermitteltheit offenkundig ist – als von etwas, das man vor allem als „Depression“ kennt und über deren genauem Zusammenhang mit der bestehenden Gesellschaft es hunderte Meinungen, aber (noch) keine Gewissheit gibt. Fakt ist, die Epidemie depressiver Erkrankungen hat ihren Beginn in den letzten paar Jahrzehnten, es ist ein Phänomen des 21. Jahrhunderts (vgl. bspw. Das erschöpfte Selbst, Ehrenberg). Es ist ungeheuerlich, wie viele ernsthaft an Depressionen erkranken, wie viele mittlerweile von Psychopharmaka über Wasser gehalten werden müssen. Kein Wunder, dass etwa Mark Fisher die Frage nach der Politisierung psychischer Krankheiten, die Aufgabe, sie aus dem Bann der Privatangelegenheit herauszuholen, zur zentralen in der Bekämpfung des umfassend gewordenen Empfindens von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus erklärt. Sowohl in Fight Club wie auch in Taxi Driver bricht der Überdruss schließlich in Gewalt aus. Insofern die Leidensursache nicht lokalisiert werden kann, bleibt die Objektwahl der Gewalt hilflos; deswegen schlägt man sich in Fight Club zunächst untereinander. Danach erst wird der Gewalt gesellschaftspolitische Motive untergeschoben. Einem verfallenen Kollektiv wird Weltanschauung und Terrorziel durch eine mythisch aufgeladene Führerfigur gegeben. Fight Club hat teils die gleichen Cancel-Wünsche wie Die Welle provoziert: weil er die Genese des Faschismus nicht als das Böse ausgehend von bösen Menschen zeigt, sondern die Verführungskraft einer solchen Bewegung spürbar macht. So auch ist Tyler Durden eine verführerische Figur, der jene erliegen, die den Film als ein Loblied auf Kapitalismusverweigerung nehmen; denn am Ende ist Tyler und alles, wofür er steht, eigentlich eine recht ambivalente Sache. Während Die Welle uns bis an den Schrecken trägt, um uns dann auf das eigene Denken zurückzuwerfen, täuscht Fight Club mit diesem leeren „Happy End“, in dem die einstürzenden Banken mit einem Feuerwerk parallelisiert werden, nur darüber hinweg.

One Comment

  1. Sepehr Mashayekhi schrieb:

    „Das Leben der (jungen) Menschen heute wird weniger von Armut, Diskriminierung, Repression vergällt – Probleme, deren soziale Vermitteltheit offenkundig ist – als von etwas, das man vor allem als „Depression“ kennt und über deren genauem Zusammenhang mit der bestehenden Gesellschaft es hunderte Meinungen, aber (noch) keine Gewissheit gibt. […] Kein Wunder, dass etwa Mark Fisher die Frage nach der Politisierung psychischer Krankheiten, die Aufgabe, sie aus dem Bann der Privatangelegenheit herauszuholen, zur zentralen in der Bekämpfung des umfassend gewordenen Empfindens von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus erklärt.“

    Es wäre vielleicht noch einmal zu präzisieren: Es geht nicht so sehr um Einsicht in die soziale Vermitteltheit der psychischen Krankheiten, als um die Möglichkeit ihrer Übersetzung in eine politische Agenda. Wenn ich Armut abschaffen will, ist es klar, was ich konkret anders haben will, die Reichtümer sollen besser verteilt werden. Bei dem Problem von Diskriminierung möchte ich, dass alle gleich behandelt werden. Und so weiter. Diese Konkretisierbarkeit eines Protestes ist im Falle psychischer Erkrankungen, vor allem der Depression, nicht ohne Weiteres gegeben. Ich bin da nicht allzu optimistisch, dass irgendeine durchschlagende Konkretisierung bezüglich der gesellschaftlichen Ursachen der Depression gegeben werden kann, die also nicht einfach nur bei Theorie zu allgemeineren Strukturen (Individualsimus, Kapitalismus) stehenbliebe, sondern mit Überzeugungskraft bestimmte, reale Veränderung anvisieren könnte. So lange wird es einfach sein, psychische Krankheiten weiterhin als eine biografische Privatangelegenheit zu belassen.

    Dienstag, 17. Mai 2022 um 07:40 Uhr | Permalink

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