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Ça suffit!

In ganz Europa rebellieren die Menschen gegen die schon längst als unverhältnismäßig erwiesenen Corona-Maßnahmen, allein in Leipzig versammelten sich etwa am vergangenen Samstag 45.000. Keineswegs rechte Krawallmacher, wie in den Leitmedien kolportiert, sondern zum Großteil ganz „normale“ Bürger, die sich um ihre Freiheit und ihre materielle Existenz sorgen – und das zu Recht.

Das Establishment verfällt derweil zunehmend in den Panikmodus. Klar: Wenn auch in Deutschland die Arbeitslosenzahlen steigen werden, wenn, wie befürchtet, mindestens ein Drittel aller Gastronomiebetriebe schließen muss, wenn dem Steuerzahler am Ende die Rechnung präsentiert werden wird für all die in Impfstoffe und die Rettungsmaßnahmen investierten Gelder, wenn zugleich immer klarer wird, dass es einige wenige Multimilliardäre gibt, die von der Corona-Krise massiv profitiert haben, während sie die Existenz von Millionen Menschen ruiniert hat – dann dürfte das den sozialen Frieden gravierend gefährden und dann dürften auch viele Menschen bereit sein, rechte Parteien zu wählen, wenn die die einzigen sind, die für eine klare Opposition zu dieser Politik stehen.

Die jüngste Verzweiflungstat: Ausgerechnet der Geburtstag des deutschen Nationalhelden Schiller wird genutzt, um Christian Drosten – gerade so, als würde es dem an Aufmerksamkeit mangeln – etwa eine halbe Stunde zu geben, um eine Art „Rede an die Nation“ zu halten. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass man einem Mediziner diese Ehre zu Teil werden lässt. Offen gesagt würden mir auch wenige Germanisten einfallen, die auch nur in der Lage wären, eine inspirierende und interessante Rede zu Schiller zu halten. Von diesem von Philologismus und Postmodernismus verheerten Fach ist schon seit Jahren nichts Relevantes mehr zu erwarten – und die Unterwerfung unter den jeweiligen Zeitgeist hat zumal in der deutschen Germanistik ja ohnehin eine „gute“ Tradition.

Erwähnt werden muss zumal, dass Schiller in der Germanistik wie in der Geisteswissenschaft allgemein eigentlich kaum mehr beachtet wird. Dem reaktionären Zeitgeist entspricht mehr die Deutsche Romantik und auch Goethe erscheint anschlussfähiger als der wesentlich politischere „Moral-Trompeter von Säckingen“, wie Nietzsche ihn einmal spöttisch nannnte. Mir würde jedenfalls kein einziger regelrechter „Schiller-Forscher“ einfallen von größerer Prominenz – bin freilich auch meinerseits mitnichten ein Schiller-Experte, auch wenn ich dem Klassiker ein Kapitel in meinem Buch Bedeutende Bärte widme.

Wie dem auch sei: Das Literaturarchiv in Marbach jedenfalls ist verzweifelt genug und hat selbst ein so geringes Vertrauen in die eigene Disziplin und die Geisteswissenschaft, dass es es für eine gute Idee hielt, einen bislang weder durch eine besonders poetische Sprache noch sonst irgendeine Kompetenz in literarisch-philosophischen Angelegenheiten aufgefallenen Virologen eine halbe Stunde über einen der bedeutendensten deutschen Dichter und Denker faseln zu lassen. Und das deutsche Feuilleton bejubelt die erwartungsgemäß vorgetragenen Plattitüden, diese platte Propaganda für die aktuelle Regierungslinie, wie zu erwarten war, pflichtschuldig. – Man kann auch sagen: Die Gleichschaltung von guten Teilen des deutschen Kulturbetriebs ist damit endgültig vollzogen.

Drosten, der mit Schiller vermutlich zuletzt im Deutsch-Grundkurs in Berührung gekommen ist, wo er streberhaft den Lektüreschlüssel auswendig lernte, gibt sich sichtlich Mühe, doch seine Rhetorik ist wieder einmal zweideutig und widersprüchlich: Er betont, dass er ja ein völlig freier Wissenschaftler sei und streng seiner Disziplin verpflichtet, von Schiller auch keine Ahnung habe – doch am Ende mokiert er sich über Schillers „verzwickte“ Sprache und erdreistet sich zu der „These“: „Schiller würde Maske tragen“ und zur Deklaration eines neuen „kategorischen Imperativs“ in Zeiten der „Pandemie“, der es im Grunde von jedem verlangen würde, jetzt monatelang freiwillig in Quarantäne zu gehen, würde er konsequent angewandt. – Das ist mal wieder völlige Inkonsistenz und das genaue Gegenteil einer redlichen wissenschaftlichen Sprache. Entweder Drosten ist politisch neutral und hält sich in normativen Fragen zu zurück – oder eben nicht. Sein umständliches Hin- und Herlavieren mag Laien irgendwie „seriös“ vorkommen, doch hat mit sachlicher Sprache nichts zu tun, ist einfach nur pseudowissenschaftliche Rattenfängerei, manipulative Demagogie im Sinne einer politischen Agenda, der nun beispielsweise in Dänemark zur gegenwärtigen Stunde Millionen von Nerzen zum Opfer fallen (Link). Was hat das mit Moral zu tun? Mit Kant? Mit Schiller? Mit einer „Freude am Denken“, die Drosten so „authentisch“ ausstrahlt wie Angela Merkel Empathie für die Opfer ihrer neoliberalen Politik. Mit dem Authentizitätsdenken des 18. Jahrhunderts, auf das sich hier Drosten erdreistet sich zu berufen, hat er soviel zu tun wie Ursula von der Leyen mit glaubwürdiger Korruptionsbekämpfung.

Er beruft sich auf eine vermeintliche Unabhängigkeit der Wissenschaft, die, wie jeder weiß, der wirklich Einblick in den Wissenschaftsbetrieb hat, massiv bedroht ist (vgl. etwa Sahra Wagenknechts sehr kluge Bemerkungen dazu in diesem Video). Er selbst hat nachweislich beste Kontakte zur Pharmaindustrie und zur Impflobby, hat etwa vor Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dass Millionen von Steuergeldern für den Kauf eines nutzlosen Impfstoffs gegen die Schweinegrippe verschwendet wurden. Die Arte-Doku Profiteure der Angst aus dem Jahr 2009 zeigt das ganz klar auf. Er ist Lobbyist für ein ganz spezielles Paradigma des gesundheitlichen Krisenmanagements, das hochumstritten ist auch in der Wissenschaft selbst (vgl.) und von dem vor allem Digital- und Pharmakonzerne profitieren und das den Sehnsüchten autoritärer Politiker entspricht. Seit Monaten ist er der Tubist der Corona-Politik der Regierung und wird dafür nun massiv belohnt, zuletzt gar mit dem Bundesverdienskreuz, während kritische Stimmen mundtot gemacht und ignoriert werden: Wenn so jemand dann von „neutraler Wissenschaft“ spricht, ist das geradezu eine Unverschämtheit. Drosten ist vielleicht naiv – mir kommt er eher wie ein gewiefter Karrierist vor, der nun seine große Chance wittert. Solche Leute kenne ich aus dem Wissenschaftsbetrieb zu Genüge und solche Leute sind es, die die Wissenschaft von innen heraus kaputt machen.

Nein, das hat nichts mit Schiller zu tun und das ist ein Affront gegen die Wissenschaft und gegen die intellektuelle Freiheit! Schiller war Arzt, doch er stritt für ein philosophisch fundiertes, ganzheitliches Verständnis von Medizin – weshalb er dieser damals schon bornierten und kleingeistigen Disziplin auch alsbald den Rücken kehrte. (Vgl. zu Schillers Thesen dazu diesen sehr instruktiven Aufsatz, den Drosten bzw. sein Ghostwriter mal hätte lesen sollen.) Wie gesagt: Ich bin der letzte, der es einem Virologen verbieten würde, sich auch zu ethischen, politischen und schöngeistigen Themen zu äußern: Doch bitte mit Niveau und Verstand und ohne manipulative Rhetorik!

Die positivistische Medizin, wie sie Drosten verkörpert und gegen die Schiller anstritt, ist eine strukturell reaktionäre Wissenschaft, das haben kritische Intellektuelle wie Ernst Bloch (vgl. das entsprechende Kapitel in Das Prinzip Hoffnung) schon seit Jahren aufgezeigt. Es ist ungefährlich, wenn diese Leute in ihrem Labor vor sich hinarbeiten – wenn sie nun gar berufen werden, einer ganzen Gesellschaft und sogar den Geisteswissenschaften die moralisch-politische Orientierung vorzugeben, dann ist das brandgefährlich und es droht eine Technokratie. Denn diese Menschen gehen mit einem Tunnelblick durch die Welt: Sie sehen nur das Virus und seine Verbreitung, sie sehen nicht das Leid, das durch die von ihnen verordneten Maßnahmen entsteht, nicht die Prioritäten, die eine Gesellschaft eben immer auch zu setzen hat über die bloße Lebenserhaltung hinaus. Es bräuchte einen transdisziplinären Blick auf Corona und der Fachidiot Drosten ist für einen solchen Blick die denkbar schlechteste Wahl. Der Arzt will zumal, wie Bloch betont, vor allem den status quo erhalten – das ist, was er unter Gesundheit versteht. Doch es kann heute weniger denn je darum gehen, zum status quo zurückzukehren: Unser System steht vor dem Abgrund und es braucht heute mehr denn je kühne Geister, Geister mit Visionen vom Schlage Schillers, die die Richtung vorgeben. Angst- und Panikmacher wie Drosten sind Propheten des Dunkel und ihre Maßgaben werden nur tiefer ins Dunkel führen: Das „Elysium“, von dem der revolutionäre Schwabe schwärmte, und der Cheftubist des Merkel-Regime – da begegnen sich Merkur und Alpha Centauri, die Borg und die Klingonen, Beethoven und Wendler. Aktuell wäre an Schiller einzig, von was Drosten nicht spricht und weder sprechen kann noch will: Die Utopie einer befreiten Gesellschaft gemäß den Werten, die die jetzige Regierung mit Füßen tritt, und für die Schiller so leidenschaftlich wie kein zweiter stritt.

Ich habe mich selbst vor allem mit Schillers Begriff der „falschen Würde“ beschäftigt, den er in seiner Schrift über Anmut und Würde entwickelt. Ich belasse es an dieser Stelle einfach mal dabei, den großen Kritiker einer einseitigen, lebensfeindlichen Rationalität selbst zu Wort kommen zu lassen. Man schaue sich die selbstgefällige One-Man-Show des Moraltubisten aus dem Emsland an und möge selbst urteilen:

„Wenn man auf Theatern und Ballsälen Gelegenheit hat, die affektierte Anmut zu beobachten, so kann man oft in den Kabinetten der Minister und in den Studierzimmern der Gelehrten (auf hohen Schulen besonders) die falsche Würde studieren. Wenn die wahre Würde zufrieden ist, den Affekt an seiner Herrschaft zu hindern, und dem Naturtriebe bloß da, wo er den Meister spielen will, in den unwillkürlichen Bewegungen, Schranken setzt, so regiert die falsche Würde auch die willkürlichen mit einem eisernen Szepter, unterdrückt die moralischen Bewegungen, die der wahren Würde heilig sind, so gut als die sinnlichen, und löscht das ganze mimische Spiel der Seele in den Gesichtszügen aus. Sie ist nicht bloß streng gegen die widerstrebende, sondern hart gegen die unterwürfige Natur und sucht ihre lächerliche Größe in Unterjochung und, wo dies nicht angehen will, in Verbergung derselben. Nicht anders, als wenn sie allem, was Natur heißt, einen unversöhnlichen Haß gelobt hätte, steckt sie den Leib in lange faltigte Gewänder, die den ganzen Gliederbau des Menschen verbergen, beschränkt den Gebrauch der Glieder durch einen lästigen Apparat unnützer Zierat und schneidet sogar die Haare ab, um das Geschenk der Natur durch ein Machwerk der Kunst zu ersetzen. Wenn die wahre Würde, die sich nie der Natur, nur der rohen Natur schämt, auch da, wo sie an sich hält, noch stets frei und offen bleibt, wenn in den Augen Empfindung strahlt und der heitre stille Geist auf der beredten Stirne ruht, so legt die Gravität die ihrige in Falten, wird verschlossen und mysteriös und bewacht sorgfältig wie ein Komödiant ihre Züge. Alle ihre Gesichtsmuskeln sind angespannt, aller wahre natürliche Ausdruck verschwindet, und der ganze Mensch ist wie ein versiegelter Brief. Aber die falsche Würde hat nicht immer unrecht, das mimische Spiel ihrer Züge in scharfer Zucht zu halten, weil es vielleicht mehr aussagen könnte, als man laut machen will; eine Vorsicht, welche die wahre Würde freilich nicht nötig hat. Diese wird die Natur nur beherrschen, nie verbergen; bei der falschen hingegen herrscht die Natur nur desto gewalttätiger innen, indem sie außen bezwungen ist.“ (Quelle)

Für die Freiheit des Denkens einzustehen, heißt damals wie heute, Menschen wie den Obercovidioten Drosten zu verachten, die das Denken auf eine eklige Melange aus kleinlichem Erbenzählen und dilletantischem Rummoralisieren reduzieren möchten. Um zuletzt noch einmal in abgewandelter Form den späten Nietzsche zu zitieren: „Oh Freunde, nicht diese Töne! – Der Moraltubist aus dem Emsland gibt ein verunglücktes Ständchen zu Schillers Geburtstag in fis-Moll – ich fürchte, das ist der dissonante Schlussakkord der deutschen Philologie.“

3 Comments

  1. Alexander Görlitz schrieb:

    Interessante Gedanken. Ich habe dem Drosten viel zu wenig zugehört, als dass ich mir ein detailliertes Urteil über ihn erlaube. In Sachen Schiller möchte ich von ihm aber auch nicht belehrt werden. Schiller war ausgebildeter Militärarzt, ja. Er hat diesen Beruf aber nie ergriffen. Seine Dissertation wurde erst von der Universität wegen Besserwisserei und Unwissenschaftlichkeit abgelehnt. Man wollte ihn zum Knochensäger auf dem Schlachtfeld ausbilden, aber da hatte er keine Böcke für.
    Er ist ja später Professor für Geschichte geworden, nicht für Medizin. Bei seiner Antrittsvorlesung hat er als strikter Kantianer zwischen Brotgelehrten und philosophischen Köpfen unterschieden. (Bei Kant: Philosophie nach dem Schulbegriff gegen Philosophie nach dem Weltbegriff). Brotgelehrte waren für ihn Sklavenseelen im Reich der Freiheit. Da ist nichts großes von zu erwarten.

    Für die massenpsychologische Rolle, die Drosten einzunehmen scheint, bin ich oft an den Big Brother aus 1984 erinnert. Nicht an den Teil der Geschichte, der sich um direkte Machtausübung, Überwachung, Gedankenkontrolle etc. dreht, sondern an dieses Wärmeband, dass die Leute von Okeanien mit dem Großen Bruder verbindet. Er wird immer so warm und freundlich beschrieben, eben kein Vater, der einem Sachen verbietet, sondern ein großer Bruder, der dich an die Hand nimmt in den turbulenten Zeiten von Fake-News, Medienkriegen, Unübersichtlichkeit, Komplexität. Er erklärt die Welt, sagt, warum das jetzt so gemacht werden muss, und er muss es ja wissen, er hat es schließlich studiert.

    Montag, 16. November 2020 um 01:43 Uhr | Permalink
  2. Alexander Görlitz schrieb:

    Noch ein Zitat von Kant, das dieser Orientierung am Professor in einer unübersichtlichen Zeit völlig widerspricht:

    „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt und so weiter, so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen“ (Was ist Aufklärung? Kant, 1784).

    Montag, 16. November 2020 um 01:45 Uhr | Permalink
  3. Paul Stephan schrieb:

    Wer übrigens noch daran zweifelt, dass Drosten von Schiller nur verachtet worden wäre, der lese „Über das Erhabene“:

    „Aber der Mensch hat noch ein Bedürfniß mehr, als zu leben und sich wohl sein zu lassen, und auch noch eine andere Bestimmung, als die Erscheinungen um ihn herum zu begreifen. […] Die Freiheit in allen ihren moralischen Widersprüchen und physischen Uebeln ist für edle Gemüther ein unendlich interessanteres Schauspiel, als Wohlstand und Ordnung ohne Freiheit, wo die Schafe geduldig dem Hirten folgen und der selbstherrschende Wille sich zum dienstbaren Glied eines Uhrwerks herabsetzt. Das letzte macht den Menschen bloß zu einem geistreichen Produkt und glücklichern Bürger der Natur; die Freiheit macht ihn zum Bürger und Mitherrscher eines höhern Systems, wo es unendlich ehrenvoller ist, den untersten Platz einzunehmen, als in der physischen Ordnung den Reihen anzuführen.“

    (https://www.projekt-gutenberg.org/schiller/erhaben/erhaben.html)

    Ein weiterer Kommentar erübrigt sich denke ich …

    Mittwoch, 15. Dezember 2021 um 11:13 Uhr | Permalink

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