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Das „Selbstbestimmungsgesetz“ – Fortschritt oder Rückschritt?

Das „Selbstbestimmungsgesetz“ – Fortschritt oder Rückschritt?

Versuch einer philosophischen Einordnung

Von Paul-Gerhardt Stephan

I. Eine umkämpfte Reform

Das im allgemeinen Diskurs oft einfach kurz als „Selbstbestimmungsgesetz“ bezeichnete „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ – im Folgenden als SBG bezeichnet1)Aus dem Selbstbestimmungsgesetz wird im Folgenden unter der Sigle „SBG“ zitiert. Bei Verweisen auf einzelne Paragraphen des eigentlichen Gesetzestexts wird nur die Paragraphennummer angegeben, bei solchen auf die Erläuterungen zum Gesetz auf die Seitenzahl des vom Kabinett beschlossenen Entwurfs. Bereits beschlossene Gesetze werden im Literaturverzeichnis nicht eigens nachgewiesen und unter Nennung des üblichen Kürzels und der entsprechenden Paragraphennummern zitiert. – wurde am 23. August 2023 vom Bundeskabinett beschlossen. Es soll, nachdem es den Bundestag passiert hat, zum 1. November 2024 in Kraft treten.2)Dieser Artikel wurde im November 2023 geschrieben und gibt den damaligen Stand des legislativen Prozesses wieder. (Es hat sich seitdem jedoch fast nichts getan.)

Fundstück im Leipziger Osten.

Diesem Gesetz ging eine jahrelange Debatte um das 1980 beschlossene und derzeit noch gültige, zuletzt 2017 aktualisierte, Transsexuellengesetz (TSG) voraus, das gewisse Bedingungen an eine Änderung des Geschlechtseintrags knüpft. Diese sind insbesondere die Zustimmung eines Gerichts, das seine Entscheidung auf der Grundlage von zwei voneinander unabhängigen Sachverständigengutachten zu treffen hat. Diese Gutachten müssen vor allem bestätigen, dass die antragstellende Person „sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben“  (TSG, § 1, Abs. 1) und dass  „mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird“ (ebd.). An diesem Verfahren wird kritisiert, dass es zu umständlich sei – etwa dadurch, dass die Antragsteller3)Ich gebrauche in diesem Artikel bewusst das generische Maskulinum, da er sich (1) kritisch mit der der ‚Gendersprache‘ zugrundliegenden Ideologie auseinandersetzt und da es in ihm (2) ja wiederholt um Menschen geht, die sich als ‚nicht-binär‘ verorten und die durch traditionelle Ausdrucksweise eleganter mitadressiert werden als durch umständliche Wortunterbrechungen, die noch dazu im gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs immer auch das Bekenntnis zu jener problematischen Ideologie mit einschließen. Zu guter Letzt möchte ich (3), dass dieser Artikel sowohl von Befürwortern als auch von Kritikern des Gesetzes möglichst ohne unnötige Vorbehalte gelesen wird – die traditionelle Schreibweise erscheint mir in dieser Hinsicht gerade die ‚inklusivste‘ zu sein. die Verfahrenskosten i.d.R. selbst tragen müssen – und zu sehr in ihre Privatsphäre eingreife, da die Gutachter zu intimen Fragen der Sexualität und der Entwicklung der Wahrnehmung des eigenen Geschlechts Stellung nehmen müssten. Das SBG sieht nun so gut wie keine Hürden zur Änderung des Geschlechtseintrag mehr vor. Selbst in Deutschland lebende Staatsbürger anderer Länder mit dauerhaftem Aufenthaltsstatus sollen, sofern sie volljährig und voll geschäftsfähig sind, einfach zum Standesamt gehen und den Geschlechtseintrag inklusive des Vornamens durch eine bloße Willenserklärung ändern lassen können. Man muss diesen Termin nur mindestens drei Monate vorher beim Standesamt anmelden und es gilt danach eine einjährige Sperrfrist, ehe man eine erneute Eintragsänderung vornehmen kann. Ebenso ist es laut Art. 1, § 2, Abs. 4 in bestimmten Fällen nicht möglich, den Geschlechtseintrag ändern zu lassen, wenn ein baldiges Erlöschen des Aufenthaltstitels bevorsteht, um es zu erschweren, dadurch eine drohende Abschiebung zu verhindern. Die einzige weitere signifikante Einschränkungen liegen Art. 1, § 9 zufolge „im Spannungs- und Verteidigungsfall“ vor. Unmittelbar davor und währenddessen muss man juristisch gesehen ein Mann bleiben, „soweit es den Dienst mit der Waffe auf Grundlage des Artikels 12a des Grundgesetzes und hierauf beruhender Gesetze betrifft“. Die Eltern können Art. 1, § 3, Abs. 2 zufolge ohne weitere Prüfung durch Dritte für ihr Kind einen neuen Geschlechtseintrag beantragen.

Die Debatte zu diesem Gesetz – und ähnlichen Bestrebungen in anderen Ländern – ist äußerst hitzig. Während die einen eine staatliche Anerkennung von Transgeschlechtlichkeit grundsätzlich ablehnen, halten andere selbst noch die Bestimmungen dieses Gesetzes für zu rigide und würden sich eine noch weitgehendere Liberalisierung wünschen. Dabei ist festzuhalten, dass die Kritiker solcher Gesetze sich nicht unbedingt als politisch rechts verorten. Im Gegenteil gibt es eine lautstarke linke Kritik – international prominent vertreten etwa von der Autorin Joanne K. Rowling und in Deutschland der Zeitschrift Emma –, die in ihnen eine Aushöhlung feministischer Errungenschaften betrachtet und insbesondere eine Gefährdung weiblicher Schutzräume. Selbst solche Kritiker werden von Befürwortern dieser Gesetze massiv angegriffen und als „transfeindlich“ bezeichnet. Rowling etwa gilt in manchen Kreisen als reaktionäre persona non grata.

Trauriger Höhepunkt – oder eher: Tiefpunkt – der Debatte war in Deutschland wohl die Diskussion um einen populärwissenschaftlichen Vortrag der jungen Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht, der am 2. Juli 2022 an der HU Berlin stattfinden sollte, zum Thema Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht – Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt. Der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen der Universität rief zu Protesten gegen diesen Vortrag auf und bemerkte zu der im Titel genannten These in einer Pressemitteilung lakonisch: „Nicht nur ist diese These unwissenschaftlich, sondern menschenverachtend und queer- und trans*feindlich!“ (AKJ HU Berlin 2022) Der Vortrag wurde in der Folge zunächst abgesagt, was wiederum zu einer breiten Diskussion um Wissenschaftsfreiheit und „cancel culture“ führte. Er wurde dann wenig später nachgeholt, gefolgt von einer Podiumsdiskussion mit hochrangigen Diskutanten, darunter die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. An der von lebhaften Äußerungen des Publikums begleiteten Diskussion, in der keine Einigkeit über die Wissenschaftlichkeit ihrer Thesen bestand, nahm Vollbrecht selbst nicht teil. Auf das SBG wurde im Rahmen der Debatte dezidiert eingegangen.4)Vgl. Achterberg: 2022.

Der bekannte linksliberale Satiriker Jan Böhmermann trat in einer Sendung ZDF Magazin Royale Ende des Jahres nach. Der entsprechende Ausschnitt aus der Show (ZDF Magazin Royale 2022) wurde am 2. 12. 2022 auf Youtube hochgeladen und erreichte binnen eines Jahres über zwei Millionen Aufrufe, erhielt über 80.000 „Likes“ und zahllose, teilweise begeisternd zustimmende, Kommentare5)Letzteres ist durchaus ironisch vor dem Hintergrund, dass Böhmermann selbst zahllose polemische Kommentare von „ziemlich unangenehme[n], sehr laute[n] Leute[n]“ (ebd.) prophezeit.. Unter dem Titel Wer in Deutschland gegen trans Menschen hetzt bezeichnet er dort Menschen, die nicht wissen, was „trans“ (ebd.) ist, als „dumme Wichser“ (ebd.)6)Immerhin bezeichnet er sich auch selbst, unter Bezugnahme auf einen älteren Videoschnippsel, in dem er sich in dieser Hinsicht als ‚ahnungslos‘ zeigt, als „kleine[n] Hurensohn von 2016“ (ebd.).. Das TSG sei „das peinlichste Überbleibsel aus den 80ern seit“ (ebd.) einem Photo, auf dem die beiden Mitglieder der Band Modern Talking in zwei überdimensionierten weißen Turnschuhen sitzen: „Es funktioniert gar nicht.“ (Ebd.) Die geplante Einführung des SBG sei ein längst überfälliger Schritt, denn es garantiere endlich für „trans Menschen“ (ebd.) das in Artikel 2 des Grundgesetzes verbriefte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Doch es gebe Widerstand gegen dieses Gesetz, schließlich lebten wir ja im „Katar Mitteleuropas“ (ebd.). Emma etwa hetze „regelmäßig gegen trans Menschen“ (ebd.), „alles unter dem Deckmantel des ‚Feminismus‘“ (ebd.). Vermeintliche Feministinnen wie sie sprächen „Menschen ihre Existenz“ (ebd.) ab. Solche „TERFs“ (ebd.) – ein in der Debatte häufig, meist pejorativ gemeintes, Akronym, das für „Trans-Exclusionary Radical Feminists“ steht – seien „turds“ (ebd.), „Scheißehaufen“ (ebd.). Die sich kritisch zum SBG äußernde AfD-Politikerin Beatrix von Storch sei ein „Nazi“ (ebd.). Eine solche hetzende „TERF“ sei auch die „Meereselektrikerin Marie oder Luise Vollbrecht“ (ebd.), deren entsprechenden Äußerungen dem „wissenschaftliche[n] Konsens“ (ebd.) widersprächen, demzufolge es „sehr wohl mehr als zwei biologische Geschlechter“ (ebd.) gebe. Das „mysteriöse[] Arschlochnetzwerk“ (ebd.) aus „TERFs und Nazis“ (ebd.) werde von russischen Oligarchen finanziert und sei direkt für physische Gewalt gegen „trans Menschen“ verantwortlich. Das Video endet mit einem Appell, die Rechte von „trans Menschen“ endlich anzuerkennen, da diese nun einmal existierten und ihre Rechte nicht die anderer einschränkten. – Neben den erwähnten Kommentatoren wurde dieses Video sowohl von der für das SBG wesentlich mitverantwortlichen grünen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, und ihrem parlamentarischen Staatssekretär und Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, dem ebenfalls grünen Sven Lehmann, auf Twitter geteilt und dezidiert gutgeheißen.7)Vgl. Paus 2022 und Lehmann 2022.

2023 erhielt Böhmermann zum sechsten Mal den renommierten Grimme-Preis mit der Begründung, er würde in seiner Show in exemplarischer Weise Unterhaltung, Information und politisches Engagement verbinden.8)Vgl. Grimme-Preis 2023. Ob Witze über doppelte Vornamen und die Diffamierung von Menschen mit anderen politischen Meinungen als „Nazis“, „Arschlöcher“, „dumme Wichser“ und „Scheißehaufen“ wirklich ein Signum journalistischer Qualität sind, gar, wie Lehmann twitterte, „grandios[]“ (Lehmann 2022), oder nicht eher die unglaubliche Verrohung und Eskalierung der Debatte zu diesem Thema anzeigen, mag jeder und jede selbst beurteilen. Dass der Gegenwind nicht ausblieb und Emma ihrerseits im Folgejahr Böhmermann zum „Sexist Man Alive 2023“ (Redaktion der Emma 2023) erklärte, „Biedermann und Brandstifter – und der Gipfel aufgeblasener Männlichkeit“ (ebd.), verwundert jedenfalls nicht.

Die Folgen derartiger Wortmeldungen bleiben jedenfalls nicht aus. Kurz nach Böhmermanns Sendung, am 11. 12., sollte im Leipziger linksalternativen Kulturzentrum Conne Island ein Vortrag zur Kritik jener „queeren“ Strömung des gegenwärtigen Feminismus stattfinden. Es sprach der Jurist und Autor Jörg Finkenberger. Vollbrecht hatte getwittert, dem Vortrag beiwohnen zu wollen.9)Was sie, wie mir eine Augenzeugin berichtete, auch tat, jedoch, zumindest solange die Zeugin der Veranstaltung beiwohnte, nicht an der Diskussion teilnahm. Die ‚stille Post‘ der Leipziger linksradikalen Szene machte daraus schnell, dass sie selbst zu einem Vortrag geladen sei. Eine Gegendemo mit 30 bis 50 Teilnehmern fand statt, über die die Veranstalter des Vortrags selbst Folgendes berichten:

Am Abend der Veranstaltung wurde durch die Teilnehmer:innen der Gegenkundgebung eine Drohkulisse an der Zufahrt zum Laden aufgebaut. Einzelne Gäste der Veranstaltung wurden bedroht, beschimpft, bespuckt, geschlagen und mit Schneebällen ins Gesicht beworfen. Auch „Freisitzkids“ und andere Leute, die an diesem Abends [sic] ohne Bezug zur Veranstaltung das Islandgelände betraten, wurden bedroht und beschimpft; Ein Gast wurde mit Reizgas angegriffen. Eine schwangere Frau wurde von ihrem Begleiter getrennt, beschimpft, geschubst und angeraucht – nachdem sie den Angreifer:innen mehrfach sagte, dass sie schwanger sei. Dabei wurde aus der Kundgebung heraus und als Gruppe agiert – einzelne Gäste der Veranstaltung wurden umkreist und angegriffen mit der klaren Absicht, sie zu demütigen und fertig zu machen. Getroffen hat es insbesondere einzelne Frauen auf dem Heimweg. (Infoladen 2023)

Es seien Begriffe wie „‚Terfs‘, ‚Swerfs‘[10)Dieses ebenfalls szenetypische Akronym steht für „Sex Worker Exclusionary Radical Feminism“.], ‚Faschos‘ und ‚Nazis‘“ gefallen. Zusätzlich hätten „Teile des Gegenprotests die abschüssige Einfahrt zum Conne Island mit Wasser begossen, woraus eine spiegelglatte Fläche entstand“ (ebd.).

Diese Berichte sind glaubwürdig.11)Davon abgesehen, dass der zitierte Bericht des Infoladens des Conne Island auf umfangreichen Recherchen beruht, berichtete mir eine Augenzeugin davon, dass sie beim Verlassen der Veranstaltung von den Gegendemonstranten beschimpft und mit Schneebällen beworfen und dass bewusst eine glatte Eisfläche auf dem Fußweg angelegt wurde. Es handelte sich ihrer Erinnerung nach um eine größere Gruppe von etwa 50 Personen, die sie als studentisch und eher jung (Anfang 20) beschrieb und die zur Hälfte aus Frauen und Männern bestand. Das Absurde der Aktion sei aus ihrer Sicht vor allem gewesen, dass unterschiedslos alle Teilnehmer der Veranstaltung attackiert wurden, so, als ob ein bloßer Besuch schon bedeuten würde, die dort vertretenen Ansichten zu teilen. Der Vortrag konnte jedoch trotz der Proteste wie geplant stattfinden und auch die an ihn anschließende Diskussion wurde nicht gestört (die trans-Aktivisten zogen es also vor, zu pöbeln anstatt den Austausch zu suchen). Einige Organisatoren der kritisierten Demonstration verweigerten in einer Stellungnahme jede Gegendarstellung und bezeichneten „TERFs“ (Einige Personen aus der Demoorga 2023) als „Anhänger*innen genozidaler Ideologien“ (ebd.). Ihr Vorgehen sei ein Akt der „Selbstverteidigung“ (ebd.) gewesen:

Wir stehen hinter allen Menschen, die an jenem Abend zurückgeschlagen haben. Egal, ob dies mit Worten oder Taten war. Wir stehen hinter allen, die sich selbst geschützt haben, ob sie sich der aufgeheizten Lage entzogen haben, den TERFs verbal etwas entgegengesetzt haben, ob sie Schneebälle oder Mützen geworfen haben oder ob sie sich emotional um Betroffene gekümmert haben. (Ebd.)

Die „queeren“ Aktivisten streiten die Vorwürfe also nicht wirklich ab, sondern bekennen sich im Gegenteil zu legitimer Gegengewalt.12)Auf dem Portal Indymedia kann prinzipiell jeder derartige Stellungnahmen publizieren, ohne dass ihre Authentizität von der Redaktion geprüft würde. Der Wortlaut legt jedoch die Vermutung nahe, dass sie wirklich von einigen Organisatoren der Gegendemo verfasst worden ist. Sie berufen sich dabei auf eine Stellungnahme des Lemkin Institute for Genocide Prevention, das in ganz ähnlicher Weise eine direkte Verbindung zwischen Nazismus und der Kritik an Gesetzen wie dem SBG zieht und sich dabei einen wissenschaftlichen Anstrich gibt.13)Vgl. Lemkin Institute for Genocide Prevention 2022.

Wenn Böhmermann also Kritikern des SBG vorwirft, mit ihren Äußerungen direkt für Gewalt gegen „trans Menschen“ verantwortlich zu sein, muss er sich ebenso die Frage gefallen lassen, ob er mit Wortmeldungen wie jenem Video nicht ebensolche Attacken provoziert. Die Täter bedienten sich jedenfalls wörtlich seiner Diktion. Und dieselbe Frage müssen sich Politiker gefallen lassen, die dieses Video guthießen und als „grandios[]“ feierten.

 

II. Klarstellungen und Grundthese

Woher kommt diese Aggression auf – zweifellos – beiden Seiten der Debatte? Und wie ist das SBG und ähnliche Gesetze kulturell einzuordnen und zu bewerten? Diesen Fragen möchte ich mich in diesem Essay widmen. Angesichts der beschriebenen Verrohung und der verbalen und physischen Gewalt, der auch sachliche Kritiker dieses Gesetzes bzw. der hinter ihm stehenden Ideologie ausgesetzt sind, möchte ich folgendes voranschicken:

  1. Ich bin kein Jurist, sondern Philosoph. Meine Einschätzung wird sich daher nicht auf einzelne Details des Gesetzes beziehen – die sich im weiteren Verlauf des legislativen Prozesses noch ändern mögen – oder dessen im engeren Sinne rechtliche Bedeutung, sondern es geht mir um seine Einordnung in eine größere gesamtkulturelle und ethische Perspektive.
  2. Mir ist klar, dass es im gegenwärtigen Klima der Debatte ein Wagnis darstellt, sich als „cis-Mann“ zu diesen Fragen zu äußern, sofern man nicht gerade Jan Böhmermann heißt. – Doch will man ernsthaft die Position konsequent durchhalten, man dürfe sich nur zu Themen äußern, von denen man unmittelbar persönlich betroffen ist? Umgekehrt könnte man persönlich Betroffenen eine größere Voreingenommenheit als nichtbetroffenen unterstellen (was freilich in dieser generalisierten Form ebenso unsinnig wäre).
  3. Es gibt Menschen, die dasjenige Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, ändern möchten und dies nicht nur, wie von Kritikern der trans-Bewegung leider oft zu vorschnell und pauschal unterstellt, aufgrund einer Laune, Mode, Ideologie oder psychischen Störung, sondern echtem Leidensdruck. Es sollte ihnen möglich sein, eine rechtliche Anpassung dieses Geschlechtseintrags ohne Schikanen erreichen zu können und darin von der Gesellschaft unterstützt zu werden. Dazu gehören auch Menschen, die weder als Frau noch als Mann leben möchten. Diese Menschen sind gegen jede Diskriminierung und erst recht physische Gewalt zu schützen.

Dies vorausgeschickt, möchte ich in diesem Essay dennoch den Grundgedanken des SBG und der ihm zu Grunde liegenden normativen Prämissen hinterfragen. Es scheint mir auf einem falschen und in der Tat äußerst problematischen Verständnis von Identität zu basieren. Es handelt sich dabei nicht nur um eine philosophisch falsche Idee, sondern auch eine, die dazu geeignet ist, in der Tat gravierende gesellschaftliche und kulturelle Folgeschäden zu verursachen – bzw. bereits vorhandene problematische Tendenzen zu verstärken.

 

III. Geschlecht als Willkür

Dieser Grundgedanke wird sowohl von Böhmermann, dem SBG, dem Lemkin Institute als auch von den Leipziger Aktivisten, die den Worten ihrer Vordenker Taten folgen ließen, einmütig geteilt und vom Lemkin Institute etwa – in negativer Abgrenzung zur „gender critical movement“ (Lemkin Institute for Genocide Prevention 2022) wie folgt definiert:

The movement alleges that people cannot determine their own sex or gender, and that the genitalia observed by doctors at birth are the final determinants of biological sex as well as the permanent markers of gender belonging. (Ebd.)

Umgekehrt gesagt: Weder das biologische noch das soziale Geschlecht – und entsprechend auch nicht das juristische – basieren auf objektiven, von Dritten zu beurteilenden, Faktoren, sondern unterliegen allein der willkürlichen Wahl der Einzelnen, eben ihrer „Selbstbestimmung“, bzw. sollten es tun.

An diesem Verständnis orientiert sich auch das SBG, in dessen Entwurf es gleich eingangs heißt: „Das medizinische und gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtsidentität hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Die aktuelle Rechtslage trägt dem nicht ausreichend Rechnung.“ (SBG: 1) Zustimmend paraphrasiert der Entwurf eine Studie mit den Worten: „Die Geschlechtsidentität eines Menschen könne nicht fremdbegutachtet werden, die Begutachtung könne insofern nur wiedergeben, was der Mensch über sich selbst berichtet.“ (SBG: 9) Zu einer Gesetzesänderung, „die für betroffene Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung ein Wechsel des Geschlechtseintrags durch eine Erklärung nach § 45b PStG ermöglicht“ (SBG: 20) aus dem Jahr 2018 heißt es dementsprechend:

Das beschlossene Gesetz wurde von Verbänden und Fachöffentlichkeit kritisiert. Die Kritik beruht insbesondere darauf, dass die Betroffenen grundsätzlich ein ärztliches Attest vorlegen müssen, um ihren Geschlechtseintrag wählen zu können, und dass dadurch die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität von der Einschätzung eines Arztes abhängig gemacht wird. Die daraus resultierende Fremdbestimmung wird als diskriminierend und pathologisierend empfunden. (Ebd.)

Schon im Koalitionsvertrag konnte man nachlesen:

Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht[.] (Zit. n. SBG: 26)

Wie Böhmermann berufen sich die Autoren des SBG dabei vor allem auf Art. 2, Abs. 1 des Grundgesetzes sowie auf Art. 1, Abs. 1 desselben. Es gehe darum, die sich daraus „ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz der Geschlechtsidentität zu erfüllen und die dargestellten internationalen Empfehlungen zur Verbesserung der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität umzusetzen.“ (SBG: 26)

„Selbstbestimmung“ im Sinne des SBG – und der entsprechenden politisch-ideologischen Bewegung allgemein – heißt also individuelle Willkür. Das Gesetz sieht dezidiert keinerlei Prüfung vor, ob es tatsächlich einen Unterschied zwischen Eintrag im Personenstandsregister und Geschlechtsidentität gibt,14)„Ob tatsächlich die Geschlechtsidentität von dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, wird von dem Standesamt nicht geprüft; es handelt sich um eine gebundene Entscheidung ohne Prüfkompetenz“ (SBG: 37). diese wird als rein subjektive Identität aufgefasst. Nur bei dem eindeutigen Vorliegen von Anhaltspunkten für einen missbräuchlichen Änderungsversuch kann eine Eintragung verweigert werden.15)„In Fällen eines offensichtlichen Missbrauchs, das heißt bei Vorliegen objektiver und konkreter Anhaltspunkte für einen Missbrauch, kann das Standesamt die Eintragung der Erklärung ablehnen“ (SBG: 38). Allerdings betonen die Autoren des SBG immer wieder, dass sie nicht davon ausgehen, dass es zu signifikanten Missbrauchsfällen kommen werde, da aufgrund der erheblichen Rechtsfolgen der Erklärung einer neuen bzw. angepassten Geschlechtsidentität kaum jemand leichtfertig diesen Schritt gehen werde.16)Vgl. etwa SBG: 38 & 50. Es gelte zudem:

Bei falschen Eintragungen kommt die Berichtigung von Amts wegen gemäß §§ 46, 47 PStG in Betracht, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden oder auf Grund eigener Ermittlungen des Standesamts festgestellt werden kann. (SBG: 38)

Allerdings sind die in den genannten Paragraphen des Personenstandsgesetz genannten Hürden für eine Berichtigung des Eintrags ins Personenstandsregister hoch und das Gesetz sieht auch keinerlei juristische Sanktionen bei einem solchen Missbrauch vor.

Besonders heikel ist dabei, dass wie erwähnt bei unter 14-jährigen allein die Eltern eine entsprechende Erklärung abgeben können, ohne dass in irgendeiner Form geprüft wird, ob das Kind mit derselben auch einverstanden ist. Dies wurde auch im Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetz gerügt.17)Vgl. Bundesrat 2023: 6. Die Autoren des SBG sehen aber auch darin kein Problem:

Sorgeberechtigte haben hierbei nach § 1626 Absatz 2 BGB die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem und verantwortungsvollem Handeln zu berücksichtigen. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben ein Einvernehmen an. […] Die Eltern sind daher keineswegs frei, einem Kind gegen dessen Willen einen anderen Geschlechtseintrag und Vornamen aufzudrängen. Auch bei der Ablehnung eines Wunsches nach Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen müssen das Kindeswohl und der Entwicklungsstand des Kindes im Zentrum stehen. (SBG: 41)

Die Autoren des SBG haben in dieser Hinsicht sicherlich grundsätzlich recht: Es ist prima facie nicht davon auszugehen, dass sich massenhaft Menschen ohne triftigen Grund einem anderen juristischen Geschlecht zuordnen lassen oder dass Eltern in großer Zahl Kindern gegen ihren Willen ein juristisches Geschlecht ‚verpassen‘. Doch zugleich wirkt das in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommende ‚Prinzip Vertrauen‘ auch wie eine bloße Beschwichtigung: Verhindern kann das Gesetz solchen Missbrauch – auch massenhaften – eingestandenermaßen nicht außer in Spezialfällen wie dem Entzug vor der Wehrplicht qua Änderung des Geschlechtseintrags.

Das juristische Geschlecht wird im Namen einer als Willkür gedeuteten „Selbstbestimmung“ also weitgehend vom – objektiv durchaus feststellbaren – biologischen und sozialen Geschlecht entkoppelt. Ihm wird juristisch mithin eine völlig andere Bedeutung gegeben als im allgemeinen Verständnis der Bevölkerung. Dem wird im Gesetzestext selbst und in den Erläuterungen zum Gesetz auch Rechnung getragen. Anhand zahlreicher in der Öffentlichkeit besonders stark diskutierter Fälle – sei es der mögliche Besuch biologischer Männer in Frauensaunen, ihr Eindringen in Frauentoiletten oder Frauenhäuser, ihre Unterbringung in Frauengefängnissen oder ihre Zulassung zum Frauensport – wird immer wieder betont, dass in diesen Fällen mit dem neuen Gesetz kein Rechtsanspruch verbundenen ist, sondern die betreffenden Institutionen je nach Einzelfall entscheiden können, ob jemand zu ihnen Zutritt erhält oder nicht.18)Vgl. SBG: 45–49. Eine Ausnahme wurde etwa auch für den Schulsport dezidiert eingeführt.19)So hält Abs. 1, § 6 fest: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“ Anders liegt die Sache jedoch beispielsweise bei Quotenregelungen oder wenn es um die Vergabe von Stellen geht: Hier soll tatsächlich allein das juristische Geschlecht Geltung haben.20)Vgl. SBG: 45 und speziell zu Quotenregelungen SBG: 49 f. Jemandem, der zwar einen weiblichen Vornamen hat und in wesentlichen Teilen des öffentlichen Lebens als Frau behandelt werden muss – etwa, wenn es um die die Besetzung von quotierten Listenplätzen bei Wahlen oder Aufsichtsratsposten geht –, kann weiterhin der Besuch einer Frauentoilette oder die Mitgliedschaft in einem Frauenfußballverein verwehrt werden, sofern die Person wie ein Mann aussieht – und sie kann sogar im Männergefängnis untergebracht werden. Dies alles dürfte im Alltag zu durchaus heiklen Situationen führen – der Bundesrat benennt etwa die gewöhnliche Polizeiarbeit als Beispiel, wenn es um die Frage geht, ob eine wie ein Mann aussehende Person mit weiblichem Geschlechtseintrag verlangen kann, von einer Frau durchsucht zu werden.21)Vgl. Bundesrat 2023: 2. Viel diskutiert wurde zudem, wie sich die Verweise auf die Willkür der jeweiligen Institutionen mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vertragen.

 

IV. Pereat mundus?

Wie problematisch diese gesamte Konstruktion ist, zeigt sich, wenn man folgenden Passus der Erläuterung zum Gesetzestext in Betracht zieht:

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen dient.  Indem der Entwurf die Selbstbestimmung von Personen stärkt, bei denen die Geschlechtsidentität von im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht abweicht, leistet er einen Beitrag zur Verwirklichung von Nachhaltigkeitsziel 10 „Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern“. Dieses Nachhaltigkeitsziel verlangt in Zielvorgabe 10.2 „Bis 2030 alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, Ethnizität, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem oder sonstigem Status zu Selbstbestimmung (zu) befähigen und ihre soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion (zu) fördern“. (SBG: 29 f.)

Abgesehen davon, dass die Übersetzung der Zielvorgabe 10.2 der besagten Agenda sehr frei ist – dort ist von „Selbstbestimmung“ nämlich keine Rede, sondern nur von „Inklusion“22)Sie lautet: „By 2030, empower and promote the social, economic and political inclusion of all, irrespective of age, sex, disability, race, ethnicity, origin, religion or economic or other status“ (UN General Assembly 2017: 14). Als operationalisierbare statistische Bezugsgröße wird dazu genannt: „Proportion of people living below 50 per cent of median income, by sex, age and persons with disabilities” (ebd.).: Legte man denselben Begriff von „Selbstbestimmung“ auf all die genannten Kategorien an, wird deutlich, wie sehr er dem allgemeinen Verständnis von Identität widerspricht. Egal, ob Alter, Geschlecht, Behinderung, „Rasse“23)Ich verwende diesen Ausdruck hier wie auch im weiteren Verlauf des Artikels im Sinne von Artikel 3 des Grundgesetzes. …: Man geht hier gemeinhin davon aus, dass es objektive Kriterien dafür gibt, ob sich jemand zu Recht oder zu Unrecht auf eine dieser möglichen Diskriminierungskategorien berufen kann und im Zweifelsfall unternimmt der Staat aufwändige Prüfverfahren, um festzustellen, ob diese Zuordnung wirklich vorliegt. Möchte sich beispielsweise jemand auf Diskriminierung aufgrund von Behinderung berufen, ist es allgemein anerkannt, dass nicht die bloße subjektive Erklärung, behindert zu sein, ausreicht, um ein Anrecht auf entsprechende Nachteilsausgleiche zu erwerben; es bedarf eines entsprechenden Nachweises. Kaum jemand würde in der Durchführung eines solchen Prüfverfahrens einen Verstoß gegen die „Selbstbestimmung“ erblicken, sondern ein Gebot der Fairness. Und erst recht verhält es sich so bei der „Rasse“ oder dem Alter: Wenn jemand einfach nicht schwarz ist, kann er sich so schwarz fühlen wie er möchte – er wird es schwer haben, in juristisch relevanten Situationen als Schwarzer zu zählen; und auch wenn man oft sagt, dass nicht zähle, wie alt man sei, sondern wie alt man sich fühle, wird man es schwer haben, für volljährig zu gelten, weil man sich wie 18 fühlt, wenn man eben nur 16 ist.

Allgemeiner gesprochen: Für so gut jeden auf eine Person bezogenen juristisch relevanten Sachverhalt – sei er im Personenstandsregister erfasst oder nicht – wird gemein angenommen, dass nicht einfach die subjektive Erklärung ausreicht, damit er gilt. Er unterliegt nicht der „Selbstbestimmung“ im Sinne des SBG und man würde dies nicht als Diskriminierung ansehen, sondern einfach als Macht der Fakten akzeptieren. Zwar vertraut der Staat in vielen Bereichen den Auskünften seiner Bürger – vom Eherecht bis hin zum Steuerrecht –, doch bei begründeten Zweifeln an der Objektivität der gemachten Angaben setzt ein mehr oder weniger aufwändiges Prüfverfahren ein. Eine wichtige Ausnahme bildet etwa der Name, der bei der Geburt einfach dadurch gilt, dass die Eltern ihn den Behörden mitteilen – doch selbst in diesem Fall muss noch geprüft werden, ob der gewählte Name auch zulässig ist. Und einmal festgelegt, ist der Name nicht mehr so leicht zu ändern. In dieser Hinsicht ist sogar das SBG äußerst rigide. Es lässt entsprechend dem allgemeinen Namensrecht nicht zu, einen dem gewählten Geschlechtseintrag widersprechenden Namen zu wählen.24)Vgl. SBG: 39. Und ebenso muss man zu seinem vorherigen Vornamen zurückkehren, wenn man den Wechsel des Geschlechtseintrags rückgängig machen möchte.25)Vgl. SBG: 44. Der Staat setzt also – und dies selbst noch im SBG – extrem hohe Hürden, wenn es um die Wahl des eigenen Vornamens gilt; doch erlaubt nun die relativ unbeschränkte Wahl des eigenen juristischen Geschlechts.

Im Gesetzentwurf heißt es:

Die Widersprüche und Unklarheiten des Transsexuellengesetzes, die durch die Entscheidungen des BVerfG zur punktuellen Verfassungswidrigkeit einzelner Voraussetzungen entstanden sind, werden im Sinne eines konsistenten Gesamtsystems aufgelöst und ausgewogen geregelt. (SBG: 27)

Bereits die bisherigen Überlegungen erwecken jedoch erhebliche Zweifel, ob es sich wirklich um ein „konsistentes Gesamtsystem“ handelt. Zum einen wird das Geschlecht als juristische Kategorie scharf von Geschlecht als biologische und soziale Kategorie geschieden und damit eine Unzahl von Möglichkeiten kontraintuitiver und rechtlich unklarer Situationen geschaffen; zum anderen erhält die Kategorie „Geschlecht“ eine einmalige Sonderstellung im Rechtssystem, insofern sie völlig anderen Feststellungsregeln unterliegt als vergleichbare personenbezogene Tatsachen. Es wird dabei ein Verständnis von „Selbstbestimmung“ im Sinne der willkürlichen Festlegung der eigenen Identität angewandt, das sich erheblich von demjenigen unterscheidet, was man mit Bezug auf andere Bestandteile der eigenen Identität – beispielsweise mit Bezug auf den eigenen Vornamen – als Selbstbestimmung ansieht. Wäre die von Befürwortern so oft angeführte Berufung auf Artikel 2 des Grundgesetzes plausibel, müsste etwa auch dringend das Namensrecht revidiert werden. Doch die „freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ meint eben nicht, die eigene Identität willkürlich wählen zu können.

Wie bereits zitiert, berufen sich die Autoren des SBG gleich im ersten Satz auf den veränderten gesellschaftlichen common sense, dem sich der Gesetzgeber anzupassen habe:

Das medizinische und gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtsidentität hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Die aktuelle Rechtslage trägt dem nicht ausreichend Rechnung. (SBG: 1)

Dieser Gedanke ist zweifellos richtig: Das Gesetz muss sich, gerade in solch relevanten Fragen wie derjenigen nach dem Geschlecht, nach dem anerkannten gesellschaftlichen Verständnis richten. Wenn es um Fragen rechtlicher Grundnormen geht – wie etwa der Gleichbehandlung aller Menschen oder die Verhängung angemessener Strafen –, ist sicherlich die Autonomie des Rechts zu betonen; es darf nicht einfach nur gesellschaftliche Vorurteile widerspiegeln, sondern muss auf seinen Grundprinzipien beharren, selbst wenn diese jenen Vorurteilen widersprechen. Man denke nur an rassistische Gesetzgebungen oder die Forderungen nach drakonischen Sanktionen für bestimmte Straftaten wie Kindesmissbrauch.

Doch ist es wirklich so, dass das geplante Gesetz dem üblichen gesellschaftlichen Verständnis von Geschlecht entspricht? Die kontroversen Debatten darum deuten bereits an, dass dem nicht so ist. Die meisten Menschen dürften „Geschlecht“ aller, vermeintlichen, wissenschaftlichen Debatten zum Trotz nach wie vor vor allem als biologische Kategorie im Sinne des etablierten binären Modells verstehen. An dieser biologischen Wurzel auch des juristischen Geschlechts wird sich auch durch den neuen Gesetzentwurf nichts ändern, da ja immer noch die Erstbestimmung des Geschlechts nach der Geburt durch einen Arzt auf Grundlage der Geschlechtsmerkmale vorgenommen werden wird; auch wenn es nun möglich wäre, dass die Eltern direkt nach dieser Erstbestimmung im Namen des Säuglings eine Änderung beantragen. Und wie den erwähnten Erwägungen im Gesetzesentwurf ja zu entnehmen ist, erkennen dessen Autoren auch in vielen anderen Punkten selbst an, dass das vorherrschende Verständnis von Geschlecht nicht demjenigen entspricht, das der Gesetzesentwurf vorsieht.

Für das nach wie vor vorherrschende Verständnis von Geschlechtlichkeit basiert die Geschlechtsidentität auf objektiven Faktoren, die sich der Willkür des Einzelnen entziehen. Zum einen der Verfasstheit des Körpers, zum anderen soziale Vorstellungen davon, wie sich Angehörige eines Geschlechts zu verhalten haben, um als solche anerkannt zu werden. Es dürfte mittlerweile von einer großen Mehrheit der Bevölkerung anerkannt werden, dass es zum einen Menschen gibt, deren Körper eine eindeutige medizinische Zuordnung nicht zulässt – und zum anderen eben Menschen, die sich gerne einem anderen Geschlecht zuordnen wollen würden, als es ihnen bei der Geburt beurkundet wurde und deren Motivation ein starker, aufrichtiger Leidensdruck ist, nicht bloße Willkür. Entgegen der Darstellung der trans-Aktivisten dürfte es mittlerweile in westlichen Gesellschaften nahezu gesellschaftlicher Konsens sein, dass es diese Menschen gibt und dass ihr Wunsch nach Änderung des juristischen Geschlechts Anerkennung verdient. Der eigentliche Streitpunkt ist, wie weit diese Freiheit gehen soll.

Der Gesetzesentwurf sieht demgegenüber vor, das juristische Geschlecht – weitgehend – als subjektive Kategorie aufzufassen. Dies dürfte in dieser Form weder dem gesellschaftlichen noch dem wissenschaftlichen Verständnis von Geschlecht entsprechen, sondern ihm geradezu diametral widersprechen. Die Autoren des Gesetzes orientieren sich allenfalls am Verständnis einer kleinen Minderheit. Intention des Gesetzes scheint es, so betrachtet, nicht so sehr zu sein, eine vorhandene gesellschaftliche Änderung des Verständnisses von Geschlecht widerzuspiegeln – sondern eine solche zu bewirken. Das Gesetz wird zum Instrument der Volkserziehung.

Das ist eben die rechtsphilosophische Grundsatzfrage, die dieses Gesetz aufwirft: Soll die Gesetzgebung eine autonome Sondersphäre, basierend auf klaren normativen Prinzipien sein, die ihre Bestimmungen weitgehend aus sich selbst bezieht und die als Werkzeug dient, um diesen Prinzipien gesellschaftliche Geltung zu verschaffen; auch gegen den Willen der Bevölkerung? Oder soll die Gesetzgebung eher das zum Ausdruck bringen, was sich im vorjuristischen Raum als gesellschaftlicher Konsens etabliert hat? Wie bereits angedeutet, kann die zweite Position nur eingeschränkt gelten. Es gibt in der jüngeren Geschichte zu viele Beispiele von Gesetzen, die sich auf den ‚gesunden Menschenverstand‘ berufen konnten, doch elementare Rechtsverletzungen (wenn nicht im Sinne des jeweiligen positiven Rechts, so doch im moralischen Sinne) zur Folge hatten.

Gilt also „Fiat iustitia, et pereat mundus“? Das Problem ist, dass das Gesetz zu seinem faktischen Bestehen stets darauf beruhen muss, von der Mehrheit der Bevölkerung als gerecht wahrgenommen zu werden. Widerspricht auch nur ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Rechts, wie in diesem Fall, in eklatanter Weise dem sensus communis, ist damit nicht nur die Gefahr verbunden, dass ein bestimmtes Gesetz als unsinnig oder gar autoritär und ungerecht erscheint, sondern das Gesetzessystem als Ganzes an gesellschaftlicher Anerkennung verliert. Das Misstrauen mit dem Gesetzesgeber könnte wachsen – und sogar die Achtung gegenüber den normativen Grundprinzipien des Rechts selbst schwinden. Die Reform könnte also genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie sich erklärtermaßen erhofft.

Selbst wenn man also mit den Autoren des Gesetzes vollkommen darin übereinstimmt, dass Geschlecht eine wesentlich subjektive Kategorie ist, wäre also zu fragen, ob ein solches Gesetz klug ist, solange dieses Verständnis von großen Teilen der Bevölkerung nicht geteilt wird. Gerade bei solchen gesellschaftlich umstrittenen Fragen sollte der Gesetzgeber eine große Umsicht walten lassen und kontroverse Vorwegnahmen der Resultate der kulturellen Auseinandersetzung vermeiden.

Der Gesetzentwurf zitiert einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011:

Es ist wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden kann, sondern sie wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhängt […]. Steht bei einem Transsexuellen das eigene Geschlechtsempfinden nachhaltig in Widerspruch zu dem ihm rechtlich nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen zugeordneten Geschlecht, gebieten es die Menschenwürde in Verbindung mit dem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit, dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rechnung zu tragen und seine selbstempfundene geschlechtliche Identität rechtlich anzuerkennen, um ihm damit zu ermöglichen, entsprechend dem empfundenen Geschlecht leben zu können, ohne in seiner Intimsphäre durch den Widerspruch zwischen seinem dem empfundenen Geschlecht angepassten Äußeren und seiner rechtlichen Behandlung bloßgestellt zu werden[.] (Zit. n. SBG: 25 f.)

Hier wird eine wesentlich ausgewogenere Position vertreten als im SBG. Es wird für ein Verständnis von Geschlecht geworben, dass sowohl objektive als auch subjektive Faktoren berücksichtigt. Dies dürfte dem heutigen sensus communis wesentlich besser entsprechen als der Gesetzesentwurf, der sich einseitig einer Extremposition verpflichtet, die weit davon entfernt ist, gesellschaftlich breit akzeptiert zu sein.

Entsprechend heißt es in derselben Entscheidung des Gerichtes, wie wiederum der Gesetzesentwurf selbst zitiert:

Der Gesetzgeber kann bei der Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen grundsätzlich von dessen äußeren Geschlechtsmerkmalen zum Zeitpunkt der Geburt ausgehen und die personenstandsrechtliche Anerkennung des im Widerspruch dazu stehenden empfundenen Geschlechts eines Menschen von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen. Da das Geschlecht maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und Pflichten sein kann und von ihm familiäre Zuordnungen abhängig sind, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und einer Änderung des Personenstands nur stattzugeben, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden. (Zit. n. SBG: 26)

Diesem Gerichtsurteil zufolge sind also gewisse Hürden für den Wechsel des juristischen Geschlechts durchaus mit den normativen Grundprinzipien des deutschen Rechts vereinbar. Es ist schon verwunderlich, dass das SBG dieses Urteil zwar heranzieht, um seine Notwendigkeit zu untermauern, doch mit keiner Silbe darauf eingeht, dass es nicht nur den hier eröffneten Gestaltungsspielraum nicht nutzt, sondern dem Urteil sogar direkt widerspricht. Was spräche dagegen, einfach die bestehenden Hürden für eine Änderung des Geschlechtseintrag abzubauen, ohne gleich so weit zu gehen, sie nahezu gänzlich abzuschaffen und das juristische Geschlecht fast vollkommen der individuellen Willkür zu unterwerfen?

Nun ist es so, dass das juristische Geschlecht derart vom biologischen und sozialen Geschlecht abgekoppelt ist, dass man sich fragt, warum das Geschlecht überhaupt eine juristische Kategorie sein sollte. Auch bei anderen Kategorien wie „Behinderung“ oder „Rasse“ ist ein weitgehender Schutz vor Diskriminierung möglich, ohne dass dazu ein Eintrag ins Personenstandsregister nötig wäre. Im Fall der „Behinderung“ gibt es dazu ein eigenes staatliches Anerkennungssystem, im Fall von „Rasse“ wird je nach Einzelfall entschieden, ob eine rassistische Diskriminierung wirklich vorliegt oder nicht. Die Rechtsprechung könnte sich dann flexibel an das jeweils gültige Verständnis von Geschlechtsidentität anpassen. Sicher würde eine solche Reform die Dinge in mancherlei Hinsicht verkomplizieren – etwa, wenn es um die Besetzung öffentlicher Gremien nach bestimmten Quoten geht – und würde die Reform weiterer Teile des Rechts erforderlich machen (insbesondere des Namensrechts); doch es würde eben auch absurde Situationen vermeiden, wie die – nach dem SBG zumindest mögliche – einer paritätisch besetzten Parlamentsliste, bei der die Hälfte der Kandidaten biologische und juristische Männer sind, die andere Hälfte Menschen, die juristisch als Frau gelten, in biologischer und sozialer Hinsicht jedoch eindeutig männlich sind. Und auch das SBG kalkuliert ja bereits ein, dass derartige Einzelfallentscheidungen in der Praxis künftig eine immer größere Rolle spielen sollen; entsprechende Gerichtsprozesse sind zu erwarten.

In der jetzigen Form dürfte das SBG jedenfalls mehr Probleme hervorrufen, als es löst. Es etabliert im Bereich der Geschlechtsidentität einen Begriff von „Selbstbestimmung“ als Willkürfreiheit, die hinsichtlich keiner anderen Identitätskategorie gilt, und entkernt sie damit ihres objektiven Sinns, den sie im sensus communis doch hat. Es mag sein, dass alles gut geht und es tatsächlich zu keinen nennenswerten Fällen kommt, in denen diese singuläre Freiheit mit welchen Intentionen auch immer missbraucht wird – doch im schlimmsten Fall wird es eben doch häufiger dazu kommen, dass sich Menschen juristisch als Frau oder Mann anerkennen lassen, die gesellschaftlich nicht als solche anerkannt werden würden, die dann aber trotzdem dieselben Rechte einfordern können. Es würde dann zweifellos schnell von „Bio-“ vs. „Pass-Frauen“ bzw. „-Männern“ die Rede sein und die bestehenden Risse zwischen verschiedenen kulturellen Milieus würden weiter verfestigt. Im Extremfall würde sich vielleicht tatsächlich das von Regierung und trans-Aktivisten verfochtene neue Verständnis von Geschlecht als allgemein anerkanntes durchsetzen und die Geschlechtszugehörigkeit nur noch als Spielball der subjektiven Willkür gelten. Doch wäre damit wirklich ein Freiheitsgewinn verbunden?

 

V. Selbstbestimmung ist keine Willkür

Die Frage, ob es moralisch gesehen – unabhängig von allen juristischen oder rechtsphilosophischen Erwägungen – wünschenswert ist, die Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit als Sache der individuellen Willkür zu betrachten, wurde bisher bewusst ausgeklammert. Beide Fragen sind in der Tat auch getrennt zu betrachten: Denn ein liberaler Staat kann und muss seinen Bürgern auch die Freiheit ermöglichen, moralisch fragwürdige Entscheidungen zu treffen, solange sie damit niemanden anderen in seinen Rechten verletzen. Darauf beruft sich ja etwa auch Böhmermann. Wie die gesellschaftliche Debatte – und nicht zuletzt das zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts – zeigt, gibt es durchaus Fälle gibt, in denen eine willkürliche Wahl des eigenen Geschlechts zu einem solchen Schaden – sei es für konkrete Einzelne, sei es für die Allgemeinheit – führen kann; doch diese scheinen nicht so gravierend zu sein wie in anderen Fällen bzw. gehen zumindest die Autoren des SBG davon aus, dass es zu einem solchen signifikanten Missbrauch der neuen Freiheit ohnehin nicht kommen wird. – Ein solches Vertrauen in die Mündigkeit der Bürger würde man in anderen Bereichen des staatlichen Agierens wirklich wünschen, schade, dass es nur in Spezialfällen wie diesem zum Tragen kommt.

Die moralphilosophische Problematik des SBG liegt in dem ihm zu Grunde liegenden Verständnis von Selbstbestimmung. Damit ist augenscheinlich die völlig willkürliche, um objektive Bestimmungen unbesorgte subjektive Bestimmung der eigenen Identität gemeint. In der Philosophiegeschichte vertrat ein solches Verständnis von radikaler individueller Selbstherrlichkeit etwa Max Stirner in seinem Werk Der Einzige und sein Eigentum von 1845 (Stirner 2009). Sein Grundprinzip: Alle materiellen oder ideellen objektiven Bestimmungen verletzten die Einzigkeit des „Einzigen“; er soll sich keinen Allgemeinheiten unterwerfen und seine Identität vollkommen unabhängig von ihnen wählen. Bei ihm folgt daraus ein Amoralismus und – individueller – Anarchismus, den sich die doch deutlich zahmere trans-Bewegung und erst recht die solcherlei Umtrieben wahrlich unverdächtige Bundesregierung sicher nicht zu eigen machen würden. Doch er ist es eben doch, der ein solches Verständnis von Selbstbestimmung, wie es auch für das SBG leitend ist, konsequent zu Ende denkt: Wenn es der Staat den Bürgern erlauben würde, sich in jederlei Hinsicht in diesem Sinne selbst zu bestimmen, müsste er sich als Staat abschaffen. Dann würde jeder in seiner fiktiven Welt leben und denkbar wären allenfalls noch vorübergehende „Vereine“ zwischen den „Egoisten“, keine wirkliche Gesellschaftlichkeit.

Stirners Werk geriet nach einer kurzen, heftigen Debatte um es schnell wieder in Vergessenheit und bis heute gilt er in der Philosophie als obskurer Sonderling. „Selbstbestimmung“ wird von den wenigsten Philosophen als individuelle Willkür verstanden. Man denke nur an den berühmten Ausspruch Jean-Paul Sartres, der sicherlich alles andere als ein freiheitsfeindlicher Denker war: „Es gibt Freiheit nur in Situation, und es gibt Situation nur in Freiheit“ (Sartre 1991: 845). Für ihn ist die Flucht in die eigenen Fiktionen ebenso unaufrichtig wie die alleinige Ausrichtung des eigenen Selbstentwurfs an den – scheinbar – gegebenen sozialen und biologischen Fakten. Wirkliche Freiheit besteht für Sartre darin, sich verantwortungsvoll in einer bestimmten sozial und biologisch determinierten Situation zu verorten, ohne diese einfach als Gegebenheit hinzunehmen, sondern als etwas, das ich aktiv durch mein Denken und Handeln beeinflussen kann. „Selbstbestimmung“ heißt also zunächst einmal, sich seiner Fremdbestimmung bewusst zu werden – nicht, diese einfach zu leugnen. Oder, um es schärfer mit Hegel – jedenfalls in seiner zugespitzten Interpretation durch Friedrich Engels – zu sagen: „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit“ (Engels 1962: 106). Auch dies ist nicht als Kapitulation vor dem Bestehenden gemeint, sondern will sagen, dass es erst die Notwendigkeiten einer Situation zu erkennen gilt, um sie dann handelnd verändern zu können. Ganz im Sinne dieses anspruchsvolleren Verständnisses von Selbstbestimmung leugnet Sartres Mitstreiterin Simone de Beauvoir in Das andere Geschlecht (Beauvoir 2000) das biologische Geschlecht nicht und plädiert entsprechend auch nicht für eine völlige Abschaffung des Geschlechts, sondern streitet für ein weniger repressives Verständnis von Geschlechtlichkeit.

Freilich hat sich die kulturelle Situation seitdem entschieden gewandelt. In der Philosophie ist, so könnte man fast sagen, unter der Hand Stirner zurückgekehrt in Gestalt des Postmodernismus, der sich zwar so gut wie nie auf Stirner beruft, doch von einem ähnlichen normativen Grundprinzip ausgeht: Die Willkür des Einzelnen ist alles, jede „Allgemeinheit“ ist schlecht. „Selbstbestimmung“ heißt dann, sich von sozialen Illusionen weitgehend frei zu machen und unbekümmert um alle Faktizität der eigenen ästhetischen Selbstverwirklichung zu frönen. Trotz seines mitunter kapitalismuskritischen Anspruchs kommt der Postmodernismus dabei nicht zufällig dem Neoliberalismus sehr nahe: „[T]here’s no such thing as society. There are individual men and women“ (Margaret Thatcher26)Zit. n. The Guardian 2013.). Im Rückblick erscheint der Postmodernismus wie eine Art ‚gehobenes‘ philosophisches Pedant zu den neoliberalen Reformen derselben Ära.

Im Feminismus war es Judith Butler und die queere Bewegung, die das freiheitliche Emanzipationsideal von Denkerinnen wie Beauvoir endgültig über Bord warfen. Es ging ihnen nicht mehr primär darum, das Verhältnis zwischen Frau und Mann weniger repressiv und gleichberechtigt zu gestalten, sondern diese Kategorien ganz abzuschaffen, da sie ohnehin nur eine kulturelle Illusion darstellten ohne Rückbindung an die geleugnete biologische Faktizität. Wenn das SBG auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Debatte verweist, dürften damit nicht zuletzt die Diskussionen in den Kultur- und Sozialwissenschaften gemeint sein, in denen postmodernistische Theorien seit Jahren immer mehr den common sense darstellen.

Wir haben es seit Jahrzehnten mit einer – scheinbar – paradoxalen gesellschaftlichen Situation zu tun: Zum einen gibt es in vielen Bereichen so viele individuelle Freiheitsrechte wie nie zuvor und neue Lebensstile werden konkret möglich, an die bloß zu denken vor wenigen Jahrzehnten noch tabuiert war; zum anderen wurden jedoch soziale Rechte immer mehr abgebaut und damit die konkreten Freiheitsspielräume der Individuen spürbar verkleinert. Der Fortschritt im kulturellen Bereich ist mit einem Rückschritt oder zumindest einer Stagnation im sozialen Bereich gepaart. Dies ist jedoch nicht einfach nur ein Widerspruch, sondern es gibt zwischen beiden Tendenzen einen intrinsischen Zusammenhang, der in genau dem im SBG nun wieder propagierten Verständnis von „Selbstbestimmung“ liegt: Jeder und jede soll radikal für sich selbst verantwortlich sein. Dieses radikalliberale Freiheitsverständnis hat eben nur zwei Ausdeutungen, von denen die eine, je nach Blickwinkel, sympathischer, die andere unsympathischer wirkt: Es erlaubt es, nach Belieben, queer, schwul, trans etc. zu sein, aber eben auch, sich darüber zu verwirklichen, mittels unmoralischer ausbeuterischer Geschäfte Milliarden zu erwirtschaften.

Neben diesem prinzipiellen Zusammenhang gibt es aber auch einen strategischen: Oft genug wird eine postmodernistische Kulturpolitik bemüht, um neoliberalen Bemühungen einen progressiven Touch zu geben. Dabei ist jedoch klar, dass es eben nur um den Touch gehen darf, um die Kultur, nicht um Bereiche, in denen wirklich die Profite der ökonomischen Eliten gefährdet würden. Der Bereich, in dem die kulturelle Liberalisierungspolitik wohl am weitesten fortgeschritten ist – die Sexualitäts- und Geschlechterpolitik –, ist eben auch derjenige, in dem mehr „Selbstbestimmung“ der Mehrheit die Selbstbestimmung der ökonomischen Eliten am wenigsten einschränkt. Mit dieser Harmlosigkeit argumentiert das SBG ja auch selbst. Bei der Migrationspolitik sieht es etwa schon wieder ganz anders aus. Dass sich eine der wenigen Einschränkungen der neuen Willkürfreiheit darauf bezieht, eine mögliche Abschiebung durch eine Änderung des Geschlechtseintrag zu verhindern, spricht dabei ebenso Bände wie die Sorge um die Sicherstellung der Wehrfähigkeit der Bevölkerung. In diesen Bereichen herrschen dann doch andere Prioritäten.

Die Bundesregierung agiert in dieser Hinsicht also nicht anders als jeder globale Konzern, der sich um sein Image sorgt: Durch Gesetze wie dem SBG wird der Anspruch darauf, eine „Fortschrittskoalition“ zu sein, untermauert, ohne wirklich etwas beschließen zu müssen, von dem gravierende Auswirkungen auf die Profitabilität der deutschen Wirtschaft zu befürchten wären. Die linksliberalen Grünen können es ebenso als Erfolg verbuchen wie die neoliberale FDP.

Der subjektivistische Begriff von „Selbstbestimmung“ zeigt in diesem Lichte seine höhnische, geradezu Orwell’sche, Fratze. Würde es dieser Regierung um objektive, wirkliche Selbstbestimmung gehen, sollte sie sich um ähnlich radikale Reformen lieber in Bereichen wie dem Klimaschutz, der Lösung der globalen Migrationskrise oder der Verminderung der ökonomischen Ungleichheiten bemühen. „Selbstbestimmung“ heißt für sie vor allem, dass man auf Wunsch einen weiblichen Vornamen wählen und – in gewissen Grenzen – kiffen darf; die objektiven Bedingungen wirklicher Selbstbestimmung – eine intakte Umwelt, eine gerechte Weltordnung, materielle Sicherheit – sind von untergeordneter Priorität oder zumindest stehen die Dinge in dieser Hinsicht ‚komplizierter‘.

Mit der Klimabewegung und der Bewegung gegen rassistische Diskriminierung sind in den letzten Jahren zwei wichtige soziale Bewegungen entstanden bzw. neu in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, deren Anliegen sich nicht so leicht im Rahmen des postmodernistisch/neoliberalen Freiheitsverständnisses auflösen lassen. Und auch die me too-Bewegung thematisiert Missstände, die in diesem Koordinatensystem nicht wirklich aufzulösen sind. Es zeichnet sich ab, dass das Pendel demnächst wieder von Subjektivismus in Richtung Objektivismus umschlägt; hoffentlich nicht zu weit. Eine Rückbesinnung auf den situierten Freiheitsbegriffs Sartres und Beauvoirs könnte in dieser Hinsicht weiterbringen.

 

VI. Fazit: Für eine Freiheit in Situation

Fundstück im Leipziger Osten

Es wird so deutlich, dass das SBG trotz seines fortschrittlichen Anspruchs bei seiner Verabschiedung ohne grundlegende Änderungen einen Rückschritt markieren würde. Für einige wenige Menschen – nämlich diejenigen, die wirklich unter großem Leidensdruck das Gefühl haben, ihre Geschlechtsidentität ändern zu müssen – wäre es in der Tat eine Verbesserung, doch es basiert auf einem falschen Verständnis von „Selbstbestimmung“ als subjektivem Austoben der eigenen Willkür. Dieses widerspricht nicht nur dem sensus communis hinsichtlich der Geschlechtlichkeit, sondern auch einem ethisch gehaltvollen Selbstbestimmungsbegriff, wie er sich der philosophischen Tradition entnehmen lässt. Wenn plötzlich der radikale Individualanarchist Max Stirner der – ungenannte und wahrscheinlich auch ungekannte – Vordenker der Politik wird, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass da etwas gehörig falsch läuft.

Die konkrete Alternative wäre ein ‚gemäßigteres‘ Gesetz, dass die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen stärkt ohne die zu befürchtenden gesamtgesellschaftlichen Folgeerscheinungen – oder eben die, konsequentere, Abschaffung von Geschlecht als Kategorie des Personenstandsrechts. Was aber wirklich zu bedenken wäre, ist das hinter dem Gesetz stehende Verständnis von „Selbstbestimmung“. Die biologische Zweigeschlechtlichkeit, die – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – doch ein wesentliches Faktum der conditio humana ist, sollte vom Gesetzgeber nicht einfach ignoriert werden. Es ist gut, dass diese inzwischen nicht mehr als determinierendes Schicksal gilt und immer weniger Einfluss auf die Bestimmung des sozialen Geschlechts hat, doch sie einfach zu ignorieren schneidet uns von einem wesentlichen Faktor unserer objektiven Situation ab; als Einzelne wie als Gesellschaft. Wir sollten uns lieber weiter darum bemühen – im Sinne Beauvoirs – den Einfluss des biologischen Geschlechts auf unser gesellschaftliches Leben zu minimieren als es zu leugnen.

Vom Standpunkt wirklicher Freiheit aus betrachtet ist es zumal alarmierend, wie sehr die gesellschaftliche Debatte zu Fragen wie dieser inzwischen verroht ist. Während vom subjektivistischen Standpunkt aus betrachtet jeder Verweis auf biologische und soziale Fakten als faschistische Zumutung gilt, mehren sich zugleich die Stimmen derjenigen, die die kulturelle Uhr am liebsten um, mindestens, fünfzig Jahre zurückdrehen würden. Der gesellschaftliche Diskurs ist in dieser Hinsicht völlig aus den Fugen geraten. Genau diejenigen, denen es schon zu viel ist, dass überhaupt jemand als Frau leben möchte, der einen Penis hat, vertreten im Hinblick auf andere Themen einen äußersten Subjektivismus, während wiederum die Verfechter des queeren Feminismus sich sonst als Statthalter ‚wissenschaftlicher Wahrheit‘ inszenieren. Dabei ist es in all diesen Fällen ähnlich: Aus einem Faktum folgt kein fatum; bzw.: Fakten werden erst zum blinden Schicksal, wenn wir ihre Macht nicht anerkennen. Diese Anerkennung objektiver Wahrheiten ist das eine, die politischen Konsequenzen das andere. Der subjektivistische Freiheitsbegriff hindert auch in dieser Hinsicht denjenigen, der eine andere Sicht der Dinge hat, nicht sofort als die eigene Willkür bedrohenden Feind zu betrachten, sondern als Diskussionspartner, mit dem man sich zumindest auf eine gemeinsame Sicht der Fakten verständigen kann, um dann darüber zu befinden, was zu tun ist.

Auch diesbezüglich kann Sartre vielleicht weiterhelfen. Für ihn ist der Andere die absolute Grenze meiner Freiheit. Durch seine bloße Anwesenheit und dadurch, dass er eine andere Sicht auf die Welt hat als ich, stellt er meine eigene Freiheit in Frage. Ich kann ihn manipulieren, bedrohen, sogar töten: Es wird sich daran nichts ändern. Die einzige Konsequenz: Ich muss lernen, mit dem Anderen zu leben, auch wenn er mich stört. Wirklich frei bin ich nur mit den anderen, nicht gegen sie.

 

Literaturverzeichnis

SBG = Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften, Fassung vom 23.08.2023, abrufbar unter https://www.bmfsfj.de/resource/blob/229616/b4f835d1a1da28f1ef51552846f1e20a/gesetzentwurf-kabinett-data.pdf.

 

Achterberg, Beatrice, 2022: Debatte um Gender-Ideologie. Die Humboldt-Universität versucht, über Wissenschaftsfreiheit zu diskutieren, abrufbar unter https://www.nzz.ch/international/deutschland/debatte-um-gender-ideologie-nach-verhindertem-vortrag-aeussert-sich-bildungsministerin-stark-watzinger-ld.1693586.

AKJ HU Berlin, 2022: Studierende geschlossen gegen Trans*feindlichkeit – Gegenprotest gegen Marie Luise Vollbrecht!, abrufbar unter https://akj.rewi.hu-berlin.de/index.php?post=studierende-geschlossen-gegen-transfeindlichkeit-n-gegenprotest-gegen-marie-luise-vollbrecht.

Beauvoir, Simone de, 2000 [1949]: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, übers. v. Uli Aumüller/Grete Osterwald, Reinbek b. Hamburg.

Bundesrat, 2023: Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften. Stellungnahme v. 20.10.2023, abrufbar unter https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0401-0500/432-23(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1.

Engels, Friedrich, 1991 [1877/78]: Herrn Eugen Dühring‘s Umwälzung der Wissenschaft, in: Ders./Karl Marx, Werke, Bd. 20, Berlin, S. 1–303.

Einige Personen aus der Demoorga, 2023: Warum wir uns weigern die Vorwürfe aus TERF-Kreisen zu widerlegen, abrufbar unter https://de.indymedia.org/node/252829.

Grimme-Preis, 2023: ZDF Magazin Royale, abrufbar unter https://www.grimme-preis.de/archiv/2023/preistraeger/preistraeger-detail/d/zdf-magazin-royale.

Infoladen, 2023: Das war ein Bruch, abrufbar unter https://conne-island.de/nf/281/3.html.

Lehmann, Sven, 2022: Tweet vom 02.12.2022, abrufbar unter https://twitter.com/svenlehmann/status/1598783242043330565.

Lemkin Institute for Genocide Prevention, 2022: Statement on the Genocidal Nature of the Gender Critical Movement’s Ideology and Practice, abrufbar unter https://www.lemkininstitute.com/statements-new-page/statement-on-the-genocidal-nature-of-the-gender-critical-movement%E2%80%99s-ideology-and-practice.

Paus, Lisa, 2022: Tweet vom 05.12.2022, abrufbar unter https://twitter.com/lisapaus/status/1599771510691897344.

Redaktion der Emma, 2023: Sexist Man Alive 2023: Jan Böhmermann, abrufbar unter https://www.emma.de/artikel/sexist-man-alive-2023-jan-boehmermann-340667.

Sartre, Jean-Paul, 1991 [1943]: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, übers. v. Hans Schöneberg/Traugott König, Reinbek b. Hamburg.

Stirner, Max, 2009 [1845]: Der Einzige und Sein Eigentum. Ausführlich kommentierte Studienausgabe, hg. v. Bernd Kast, Freiburg & München.

The Guardian, 2013: Margaret Thatcher: a life in quotes, online abrufbar unter https://www.theguardian.com/politics/2013/apr/08/margaret-thatcher-quotes.

UN General Assembly, 2017: Resolution adopted by the General Assembly on 6 July 2017, Nr. 71/313, abrufbar unter https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9d/A_RES_71_313_E.pdf.

ZDF Magazin Royale 2022: Wer in Deutschland gegen trans Menschen hetzt, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=rh7hH-ua8oI.

 

 

Fußnoten

Fußnoten
1 Aus dem Selbstbestimmungsgesetz wird im Folgenden unter der Sigle „SBG“ zitiert. Bei Verweisen auf einzelne Paragraphen des eigentlichen Gesetzestexts wird nur die Paragraphennummer angegeben, bei solchen auf die Erläuterungen zum Gesetz auf die Seitenzahl des vom Kabinett beschlossenen Entwurfs. Bereits beschlossene Gesetze werden im Literaturverzeichnis nicht eigens nachgewiesen und unter Nennung des üblichen Kürzels und der entsprechenden Paragraphennummern zitiert.
2 Dieser Artikel wurde im November 2023 geschrieben und gibt den damaligen Stand des legislativen Prozesses wieder. (Es hat sich seitdem jedoch fast nichts getan.)
3 Ich gebrauche in diesem Artikel bewusst das generische Maskulinum, da er sich (1) kritisch mit der der ‚Gendersprache‘ zugrundliegenden Ideologie auseinandersetzt und da es in ihm (2) ja wiederholt um Menschen geht, die sich als ‚nicht-binär‘ verorten und die durch traditionelle Ausdrucksweise eleganter mitadressiert werden als durch umständliche Wortunterbrechungen, die noch dazu im gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs immer auch das Bekenntnis zu jener problematischen Ideologie mit einschließen. Zu guter Letzt möchte ich (3), dass dieser Artikel sowohl von Befürwortern als auch von Kritikern des Gesetzes möglichst ohne unnötige Vorbehalte gelesen wird – die traditionelle Schreibweise erscheint mir in dieser Hinsicht gerade die ‚inklusivste‘ zu sein.
4 Vgl. Achterberg: 2022.
5 Letzteres ist durchaus ironisch vor dem Hintergrund, dass Böhmermann selbst zahllose polemische Kommentare von „ziemlich unangenehme[n], sehr laute[n] Leute[n]“ (ebd.) prophezeit.
6 Immerhin bezeichnet er sich auch selbst, unter Bezugnahme auf einen älteren Videoschnippsel, in dem er sich in dieser Hinsicht als ‚ahnungslos‘ zeigt, als „kleine[n] Hurensohn von 2016“ (ebd.).
7 Vgl. Paus 2022 und Lehmann 2022.
8 Vgl. Grimme-Preis 2023.
9 Was sie, wie mir eine Augenzeugin berichtete, auch tat, jedoch, zumindest solange die Zeugin der Veranstaltung beiwohnte, nicht an der Diskussion teilnahm.
10 Dieses ebenfalls szenetypische Akronym steht für „Sex Worker Exclusionary Radical Feminism“.
11 Davon abgesehen, dass der zitierte Bericht des Infoladens des Conne Island auf umfangreichen Recherchen beruht, berichtete mir eine Augenzeugin davon, dass sie beim Verlassen der Veranstaltung von den Gegendemonstranten beschimpft und mit Schneebällen beworfen und dass bewusst eine glatte Eisfläche auf dem Fußweg angelegt wurde. Es handelte sich ihrer Erinnerung nach um eine größere Gruppe von etwa 50 Personen, die sie als studentisch und eher jung (Anfang 20) beschrieb und die zur Hälfte aus Frauen und Männern bestand. Das Absurde der Aktion sei aus ihrer Sicht vor allem gewesen, dass unterschiedslos alle Teilnehmer der Veranstaltung attackiert wurden, so, als ob ein bloßer Besuch schon bedeuten würde, die dort vertretenen Ansichten zu teilen. Der Vortrag konnte jedoch trotz der Proteste wie geplant stattfinden und auch die an ihn anschließende Diskussion wurde nicht gestört (die trans-Aktivisten zogen es also vor, zu pöbeln anstatt den Austausch zu suchen).
12 Auf dem Portal Indymedia kann prinzipiell jeder derartige Stellungnahmen publizieren, ohne dass ihre Authentizität von der Redaktion geprüft würde. Der Wortlaut legt jedoch die Vermutung nahe, dass sie wirklich von einigen Organisatoren der Gegendemo verfasst worden ist.
13 Vgl. Lemkin Institute for Genocide Prevention 2022.
14 „Ob tatsächlich die Geschlechtsidentität von dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, wird von dem Standesamt nicht geprüft; es handelt sich um eine gebundene Entscheidung ohne Prüfkompetenz“ (SBG: 37).
15 „In Fällen eines offensichtlichen Missbrauchs, das heißt bei Vorliegen objektiver und konkreter Anhaltspunkte für einen Missbrauch, kann das Standesamt die Eintragung der Erklärung ablehnen“ (SBG: 38).
16 Vgl. etwa SBG: 38 & 50.
17 Vgl. Bundesrat 2023: 6.
18 Vgl. SBG: 45–49.
19 So hält Abs. 1, § 6 fest: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“
20 Vgl. SBG: 45 und speziell zu Quotenregelungen SBG: 49 f.
21 Vgl. Bundesrat 2023: 2.
22 Sie lautet: „By 2030, empower and promote the social, economic and political inclusion of all, irrespective of age, sex, disability, race, ethnicity, origin, religion or economic or other status“ (UN General Assembly 2017: 14). Als operationalisierbare statistische Bezugsgröße wird dazu genannt: „Proportion of people living below 50 per cent of median income, by sex, age and persons with disabilities” (ebd.).
23 Ich verwende diesen Ausdruck hier wie auch im weiteren Verlauf des Artikels im Sinne von Artikel 3 des Grundgesetzes.
24 Vgl. SBG: 39.
25 Vgl. SBG: 44.
26 Zit. n. The Guardian 2013.

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