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Wahlen: Idiotenfallen

Anfang des Jahres geschah etwas Ungewöhnliches: Die ansonsten eher gelangweilt hingenommene Wahlausgabe der AStA-Zeitung der Uni Frankfurt sorgte für aggressive, empörte Reaktionen. Der Grund: Ihr war ein längeres Editoral vorangestellt, das einen Text des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre aus dem Jahr 1973 beinhaltete.

Der formelle Empörungsgrund bestand darin, dass es die Redaktion – der ich damals angehörte – überhaupt gewagt hatte, einen so langen inhaltsreichen Text abzudrucken. Einige sahen darin die Neutralität der Wahlzeitung gefährdert. Doch hinter dem Formalismus steckte ein inhaltliches Unbehagen. Wie konnte ein Text, der vor 40 Jahren geschrieben wurde, das auslösen?

Sartre kritisiert in dem Text Wahlen, Idiotenfallen jedwede Form repräsentativer Demokratie als ungenügend und weist minutiös die Absurditäten des parlamentarischen Systems nach. Dabei argumentiert er nicht aus einer antidemokratischen Perspektive – die man leicht abtun könnte -, sondern aus einer radikaldemokratischen, die auf eine umfassende reale Demokratisierung aller sozialen Institutionen abzielt.

Sein Kernargument: Der Wähler macht das Kreuzchen nur als abstraktes Individuum in einer völlig künstlichen, entfremdeten Situation. Mit einer wirklichen Partizipation hat dieser Akt wenig zu tun – sie dient nur der Bestätigung eines von der Gesellschaft abgelösten Staatsapparats: „Wenn wir morgen wählen gehen, werden wir ein weiteres Mal die legale Macht an die Stelle der legitimen Macht setzen.“ Für die Wahlen übermorgen gilt dasselbe.

Zur AStA-Zeitung mit dem Text Sartres versehen mit einer umfangreichen Kommentierung.

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