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Das Lob der Gartenschere – Eine Kritik des „Bekenntnisses einer KZ-Aufseherin“ von Konstanze Caysa

Kunst für elitäre Ästheten: Fackel und Phallus ‚stilvoll‘ vereint. Blick in den Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei, 1942.

Am 12. Mai hielt Konstanze Caysa auf dem Youtube-Kanal der HARP einen Vortrag über bzw. eher anküpfend an de Sade (Link). Ich bin in dem Video kurz zu sehen und zu hören eingangs und möchte nicht zuletzt aus diesem Grund öffentlich klarstellen, dass ich mich von dem Inhalt des am Ende verlesenen „Manifests der Pornosophie“ in aller Entschiedenheit distanziere. Ich hatte, als ich gebeten wurde, diesen einleitenden Satz zu sprechen, keine Ahnung, was folgen würde und wurde davon geradezu überrumpelt. Hätte ich es gewusst, hätte ich mich nicht bereit erklärt, in dem Video zu erscheinen und hätte mich auch gegen seine Veröffentlichung auf diesem Kanal ausgesprochen.

Nun ist es in der Welt und ich habe mich entschieden, seiner Veröffentlichung zuzustimmen. Den restlichen Vortrag finde ich hochinteressant und habe nur Weniges zu beanstanden. Wir pflegen bei der HARP generell eine Kultur der Nicht-Zensur und Youtube gibt mir ja die Gelegenheit, unmittelbar unter dem Video dazu Stellung zu nehmen.

 

Nun aber zu meiner Kritik:

Ich distanziere mich von diesem Teil des Videos nicht nur, ich betrachte ihn als faschistische Verlautbarung. Die „Fackel“, von der dort die Rede ist, ist nicht die meine und auch nicht diejenige der HARP. Es ist nicht die helle Flamme des Prometheus, diejenige der Aufklärung, sondern das schwarze Licht der Barbarei, das einst die Öfen von Auschwitz beheizte und heute am ‚hellsten‘ in Russland strahlt. Diese Fackel möchte ich – und ich denke und hoffe, ich spreche damit nicht nur für mich, sondern für die HARP insgesamt – nicht nur nicht weitertragen, sondern zum endgültigen Verlöschen bringen.

Ich erkenne an, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Soweit ich nachvollziehen konnte, wurde dieser satanische Text 2017 für eine Kunstausstellung verfasst und dort erstmals vorgetragen. Mir war er bisher unbekannt. Er kann online hier nachgelesen werden: https://artefactae.wordpress.com/2017/06/16/der-kuenstlerphilosoph-als-pornosophischer-exzentriker/

Konstanze Caysa ist für dieses Missverständnis nicht unverantwortlich, da sie diesen Kontext in dem Video ja nicht benennt und er als Ende ihres philosophischen Vortrags erscheint.

Als philosophischen Text finde ich ihn völlig unverantwortlich. Er ist inkonsistent und verbreitet nichts weiter als irrationalistisches Geraune. Als Kunstwerk kann ich ihn in gewissen Grenzen anerkennen.

Damit meine ich: Die Kunst kann und muss die Freiheit haben, auch die dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele ästhetisch darstellen zu dürfen.

Allerdings denke ich, dass nach 1933 diese Darstellung mit höchster ethischer und politischer Sensibilität erfolgen muss. Diese Sensibilität vermisse ich bei der Darlegung in diesem Video völlig. Caysa spielt keine Rolle, sie lässt keinerlei Distanz zu dem Gesagten erkennen. Es scheint so, als würde sie vertreten, was sie dort sagt.

Ich fände diesen semantischen Erguss als Kunstwerk gelungen, wenn Caysa beispielsweise eine SS-Uniform angezogen hätte bei seinem Vortrag, wenn irgendein Moment des Bruchs und der Distanzierung erkennbar gewesen wäre. Denn er ist gelungen: Es handelt sich um eine gelungene Darstellung des avancierten faschistischen Bewusstseins. Der Text, so rabenschwarz er auch ist, kann insofern dem Lichte dienen im Sinne des alten Mottos des Mephistos und hat insofern sein Recht. Durch seine künstlerische Form vermag er es, Aspekte des faschistischen Bewusstseins darzustellen und kenntlich zu machen, die von der rationalen Betrachtung sonst nur schwer erschlossen werden können. Er hilft uns, die Triebstruktur des Faschismus besser zu verstehen und nützt insofern dem antifaschistischen Kampf. Er könnte als Impfstoff wirken.

Der Titel ist allerdings falsch gewählt. Um diesen semantischen Erguss nicht zu verharmlosen, möchte ich ihn im Folgenden beim Namen nennen und als „Bekenntnis einer KZ-Aufseherin“ bezeichnen. Dies scheint mir ein besserer Titel zu sein, denn mit „Pornosophie“ dünkt mich dieses Pamphlet wenig bis nichts zu tun zu haben.

Klarstellen möchte ich, dass ich diesen Text nicht als Ausdruck von Caysas wahrer Meinung betrachte. Sollte ich darin falsch liegen, müssen wir in Zukunft wohl getrennte Wege gehen – was ich schade fände. Ich betrachte sie auch weiterhin als Freundin, als außerordentlich kreative Künstlerin und kluge Philosophin – und auch als Genossin. Sie manifestiert in dem „Bekenntnis einer KZ-Aufseherin“ zwar einen zweifellos dunklen Aspekt ihrer Persönlichkeit – doch ich denke, dass wir alle diesen ‚inneren Faschisten‘ in uns tragen und verurteile sie deswegen nicht. Ich bewundere vielmehr ihren Mut und ihr sprachlich-rhetorisches Geschick in dieser Hinsicht. Ich kritisiere einzig ihre mangelnde politische und ethische Sensibilität, was diesen Text angeht. Diese irritiert mich in der Tat und ich hoffe sehr, dass ein künftiger Dialog diesen Eindruck auszuräumen vermag.

Um zu begründen, warum ich diesen Text auf das Schärfste verurteile, möchte ich zunächst auf den Schwur von Buchenwald verweisen, der mir seit meiner Jugend als ethische und politische Orientierung dient und mein Denken und Handeln stets bestimmt hat:

„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Wörtlich genommen (also nicht als Darstellung, sondern als Affirmation des Faschismus betrachtet – und leider impliziert er letztere Deutung in dem Kontext dieses Videos) betreibt der Text das genaue Gegenteil dieses ethischen und politischen Auftrags an alle Menschen: Er vernichtet die Wurzeln des Nazismus nicht, sondern düngt sie. – Was meine ich damit?

Einige der wichtigsten Wurzeln des historischen Nazismus war ein seit dem Ersten Weltkrieg geschaffenes kulturelles Klima, das von zahlreichen Künstlern und Intellektuellen teilweise ungewollt, teilweise gezielt geschaffen wurde, um die Weimarer Republik und erst recht den Sozialismus zu delegitimieren. Es beinhaltete einen Skeptizismus und Defätismus hinsichtlich der Ideen der Aufklärung und des Humanismus bis hin zu aggressivem Irrationalismus. Zentrale Figuren dieser geistigen Strömung waren etwa Stefan George, der frühe Thomas Mann, der frühe Ernst Jünger, die Autoren der „Konservativen Revolution“ allgemein und viele andere mehr. Ich untersuche diese Geistesströmung ausführlich in dem zweiten Band meiner Studie Links-Nietzscheanismus. Eine Einführung (Stuttgart 2020) und lege dort ihre wesentlichen Topoi und rhetorischen Strategien dar. Diese Autoren und ihre Werke sind nicht unschuldig, sondern moralisch verantwortlich für die Machtergreifung, Krieg und Völkermord. Das „Bekenntnis einer KZ-Aufseherin“ steht zu 100 % in dieser Traditionslinie und setzt sie in ihren düstersten Momenten fort.

Er steht damit nicht allein da, sonst wäre er harmlos. Was mich beunruhigt, ist gegenwärtig nicht so sehr die explizite Rechte – die ja momentan ohnehin im Rückzug begriffen ist –, sondern das seit Jahrzehnten zu beobachtende Einsickern und die entsprechende Normalisierung irrationalistischer, antiaufklärerischer und demokratieverachtender Topoi und Ästhetiken im kulturellen Bereich. Dieses Vorrücken ist umso gefährlicher, als es oft unter dem Deckmantel ‚progressiver‘ Inhalte vorgebracht wird. Caysa sieht ihren Text wahrscheinlich auch als ‚progressiv‘ oder ‚subversiv‘ an. ‚Subversiv‘ ist er auch in der Tat: Er subvertiert die bestehende Demokratie und die Bemühungen, in emanzipatorischer Richtung über sie hinauszugehen – und ermuntert sogar dazu, sich faschistischen und reaktionären Ideen zuzuwenden.

Wer an dem intrinsischen Zusammenhang zwischen postmodernistischer Subversion und Rechtsruck hegt, soll nur einmal dieses Interview mit Alexandr Dugin, einem der führenden intellektuellen Repräsentation der bekennenden Reaktion unserer Tage, ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=xFzjh7s5cao

Er sagt darin explizit, dass er die postmoderne Subversion begrüßt und als nützlich für seine reaktionäre Agenda ansieht. Insbesondere begrüßt er das durch die Postmoderne unterstützte wachsende Interesse an der „dunklen Seite der Religion“, das sich auch im „Bekenntnis einer KZ-Aufseherin“ deutlich kundtut.

Leider hat die postmoderne Subversion ganze Arbeit getan und die ersten Reaktionen auf meine Kritik waren die üblichen Relativierungen und Verharmlosungen. Ich mache mir daher im Folgenden die Mühe, diesen Text einmal Satz für Satz auseinanderzunehmen und seinen faschistischen Charakter detailliert aufzuzeigen, obwohl ich das angesichts seiner deutlichen Schlusspointe kaum für nötig erachte. Ich werde dabei so sachlich bleiben, wie es mir meine ethische und politische Grundhaltung erlaubt – denn ich denke, angesichts eines offenen Bekenntnisses zum Faschismus ist Empörung und polemische Erwiderung eine nicht nur mögliche, sondern geradezu gebotene Reaktion.

Auf alle Details dieses bemerkenswert reichhaltigen semantischen Ergusses einzugehen, werde ich wohl dennoch nicht schaffen. Ich werde auf ihn daher wahrscheinlich noch einmal in meinem Vortrag am 16. 6. in dieser Reihe zu sprechen kommen, da er ein ‚gelungenes‘ Beispiel für die Prävalenz rechts-nietzscheanischen Denkens in unserer Zeit darstellt. Womöglich werde ich ihn sogar mit einer Art ‚Anti-Manifest‘ konfrontieren, vielleicht betitelt „Bekenntnis einer demokratischen Drecksau“.

Fangen wir nun also an …

 

„Beide sind tolle Menschen, ihnen ist ein obsessiv-manischer Zug eigen, sie sind maßlos, bedenkenlos, gewissenlos, auf je verschiedene Art und Weise jenseits von Gut und Böse. Sie sind methodische Amoralisten mit je umgekehrten Vorzeichen.

Beide sind Dionysiker: Der Eine ist Sexdionysiker, der Andere ist Hirndionysiker.

Gegen die Vereinseitigungen von sexzentrischer und hirnzentrischer Ekastase steht die erotische Ekstase, die beide aufhebt.“

Bis zu diesen Sätzen finde ich den Text unproblematisch. Ja: Beide Formen einseitiger Erotik gibt es und sie sich gleichermaßen problematisch.

Was jetzt anstehen müsste, wäre allerdings eine ethische Wende. Nur durch eine solche Konversion, eine ethische Anerkennung des Anderen könnte die aufgezeigte Aporie gelöst werden.

Doch der „Amoralismus“ beider Formen einseitiger Erotik stört die KZ-Aufseherin nicht, vielmehr affirmiert sie gerade diesen gemeinsamen Zug und bemüht sich um eine gleichsam amoralisch und „maßlos, bedenkenlos, gewissenlos“ bleibende Synthese. Diese muss jedoch notwendig scheitern – und bleibt, wie sich zeigen wird, auch misslungen.

Was jedoch schon hier auffällt, ist eine völlige Ausklammerung des Ethischen aus (verkürzt) Nietzscheschem und de Sadeschem Geist. Dies war genau die Geisteshaltung des avancierten Faschismus vor 1933 und ist es bis heute. „Maßlos, bedenkenlos, gewissenlos“ – genau das waren die Nazis.

Es zeugt von völliger Unverantwortlichkeit in jeglicher Hinsicht, nach allem, was im 20. Jahrhundert geschehen ist, noch ungebrochen an diese Geisteshaltung anknüpfen zu wollen. Schon de Sades Amoralismus war problematisch – doch er konnte ihn (sofern man seine Werke überhaupt als Apologien des in ihnen Erzählten lesen soll – womöglich stellen sie auch eine Karikatur des ancien regime dar) noch mit einer gewissen Unschuld vertreten. Dasselbe gilt für Nietzsche – der ihn freilich auch nicht unzweideutig verficht. Man muss kein Moralist sein, um bereits an dieser Stelle den Faschismus kommen zu sehen.

„Die erotische Ekstatik ist eine göttliche, heilige Erotik, die die Erotik des Sexes und die Erotik des Gehirns, die die ‚Erotik der Körper‘ und die ‚Erotik der Herzen‘ aufhebt.

Erotik ist nicht etwas Menschlich-Allzumenschliches, sondern eine Seinserfahrung. Durch sie begegnet mir in meinem Dasein das kosmische Sein, meine sinnliche Endlichkeit begegnet mir im Medium der Erotik der Unendlichkeit – in Augenblicken der Ekstase.“

Der Text kippt nun, da er den ethischen Ausweg verpasst hat, unweigerlich in den dumpfsten Mystizismus und Irrationalismus.

Ich vertrete das Gegenteil: Erotik ist „etwas Menschlich-Allzumenschliches“ und eine „Seinserfahrung“ nur im Sinne eines vollkommen irrationalistischen Seinsbegriffs.

Ich zweifle nicht daran, dass in der Erotik etwas „Transzendentes“ erfahren werden kann, eine intensive Resonanz bis hin zur Verschmelzung. Doch wer derartige Erfahrungen im „Jargon der Eigentlichkeit“ (Adorno) zu Begegnungen mit dem „kosmische Sein“ verklärt, produziert damit im besten Fall unglaublichen Kitsch, im schlimmsten Fall redet er der Entfesselung des Bösen das Wort. Letzteres ist leider in diesem Bekenntnis der Fall.

Der Text nimmt nun zumal einen seltsamen Sprung vor von „Erotik des Gehirns“ zu „Erotik der Herzen“. Es wird nun noch einmal klarer, dass es hier nicht um Liebe und Romantik geht – Ideen, die ein ethisches Moment beinhalten –, sondern um etwas Anderes. Eine weitere Chance des Abbiegens in eine lichte Richtung wird verpasst, weiter geht’s auf der Schnellstraße gen Orkus.

Wäre hier von romantischer Liebe die Rede, könnte ich dieser Verklärung etwas abgewinnen, dann stünde der Text in der besten Tradition des Humanismus. In der Liebe wird tatsächlich der Gegensatz zwischen unsublimierter Sexualität und bloß geistiger Zuneigung vermittelt und etwas „Göttliches“ wird in Gestalt der Beziehung zum Geliebten erfahrbar.

Die folgenden Sätze sind daher einfach nur folgerichtig:

„Der erotische Ekstatiker ist ein Mystiker ohne Gott – denn Gott ist die Liebe und Geschlechtsverkehr ist ihm Liebesverkehr zwischen Sex und Hirn, Sinnlichkeit und Denken, Leidenschaft und Vernunft, Leben und Tod.“

Der „erotische Ekstatiker“ soll nicht nur der Liebe, sondern allen „Bindungen“ entsagen:

„Die bedingungslose Hingabe in der heiligen Ekstase ist nicht unkontrolliert, sie ist geordnet, um  Bedingungslosigkeit bis hin zur Bindungslosigkeit zu ermöglichen; Ekstase ist geformte Überschreitung, damit der Rausch gelingt. Der Ekstatiker ist ein Formulierer – ein Formgeber.“

Liebe ist weder „bedingungslose Hingabe“ noch erst recht „Bindungslosigkeit“ – sie ist vielmehr ernsthafte Bindung.

Der Faschismus war hingegen die kollektive „bedingungslose Hingabe in der heiligen Ekstase“ der bindungslosen Massen – selbstverständlich nicht chaotisch, sondern als „geformte Überschreitung“.

„Der Künstlerphilosoph ist erotischer Heiliger. Sein Exerzitium ist der heilige Eros, er ist ein heiliger Asketiker.

Der Künstlerphilosoph ist der Asket, der die Askese zum Exerzitium macht; er betreibt die Askese als Exerzitien.“

Die schon bisher geäußerte Feindlichkeit gegenüber ‚profaner‘ Sinnlichkeit wird nun noch einmal untermauert und der Kult des sinnlosen Opfers unterstrichen, der Askese ohne ethischen Gehalt. Ein weiteres Kernelement der faschistischen Ideologie.

„Kunst ist ihm Kult: Kult der Schönheit.

Schönheit umgibt nicht einfach die Macht – sie verspricht Macht.

Schönheit ist nicht leistend, sondern versprechend – das ist ihre Leistung.“

Wieder werden hier zusammengeklaubte Elemente eines schlecht verdauten Nietzsche vermengt, um deutlich zu machen, worum es in dieser sakralisierten „Erotik“ geht: Einen Kult der Macht, abgelöst von allen ethischen Skrupeln. „Macht“ wird hier nicht als Mittel verstanden, sie leistet nichts: Sie ist Selbstzweck.

„Das Schöne wird nicht nur im Schönen gezeugt, sondern auch im Medium des Hässlichen.

Nicht nur die Schönheit ist faszinierend, sondern auch das Hässliche.

Das Hässliche ist in seiner Repulsion Attraktion. Attraktion verspricht immer Macht, egal ob schön oder hässlich, allzu oft ist die Hässlichkeit in ihrer Macht schön – weil auch das Hässliche fasziniert.“

Das Schöne so, wie es in der humanistischen Tradition konzipiert wurde, ist noch zu sehr aufgeladen mit ethischen Implikationen, um der faschistischen Ideologie nützlich zu sein. Es muss folglich suspendiert und vom Hässlichen ununterscheidbar gemacht werden.

Als Beurteilungskriterien dieser Ästhetik bleiben einzig irrationalistische übrig, die mit der „maßlosen, bedenkenlosen, gewissenlosen“ Weltsicht des Faschismus kompatibel sind und ihr zuarbeiten: „Attraktion“ auch des Hässlichen – d. h. des faszinierenden Bösen –, Macht und eben „Faszination“ selbst.

„Bedingungslose Hingabe“ – aber bitte „geordnet“! – Bild aus dem Film „Triumph des Willens“ (1933).

Klar und banal: Das Böse fasziniert. Triumph des Willens ist ein ‚gelungener‘ Film, der Faschismus ist ‚geil‘, ist unglaublich attraktiv, wenn man alle moralischen Bedenken beiseitelässt. Es gibt wohl niemandem, der vor dieser Versuchung gefeit wäre. Es ist nichts Verwerfliches daran, sich dem Bösen im Kunstgenuss und auch in erotischen Experimenten aller Art hinzugeben. Nochmal: Ich bin kein Moralist. Sadisten, Masochisten, Fetischisten aller Art sollen sich ausleben. Sei es Goethes Faust, Mozart Don Giovanni, die Filme Riefenstahls, die Werke de Sades oder Pasolinis de Sade-Verfilmung: Die Kunst wäre langweilig ohne das Böse. Ich habe bereits oben angedeutet, dass ich die ästhetische Darstellung des Bösen nicht nur für nicht schädlich, sondern sogar für hilfreich für das Gute halte. Schon Schiller hatte es erkannt: Wir müssen das Böse kennen, um ihm im wirklichen Leben widerstehen zu können. Die Kunst ermöglicht es, es schadlos zu erleben. Ich würde weitergehen und sagen, dass uns die Kunst und bestimmte erotische Praktiken (und natürlich viele andere Praktiken), erlauben, unsere bösen Seiten auszuleben in ethisch verantwortbaren Bahnen und deshalb einen großen Nutzen für das Gemeinwesen haben.

Doch darum geht es hier nicht: Es geht nicht um ethisch gebannten Genuss, sondern um absolute Hingabe, sakrale Unterwerfung unter das Böse, Vernichtung des Ethischen, Satanismus.

„Der Dämon Eros ist schön und hässlich, arm und reich, kynisch und zynisch.“

Der „Dämon Eros“ dieser Religion ist Satan, es ist nicht der unschuldige Gefährte der Venus, nicht der Liebestrieb Freuds, sondern ein als Eros maskierter Thanatos.

Es ist klar, dass mit allen ethischen Gegensätzen auch weitere fallen müssen. Die faschistische Masse kennt ebenso wenig Klassensätze wie die absolute ethische Differenz zwischen zynisch und kynisch.

In Sloterdijks genialer Beschreibung ist „Zynismus“ „Kynismus von oben“, also das provokante, tabulose und abgebrühte Aussprechen unmoralischer Wahrheiten von Seiten der Herrschenden. Diesen Zynismus erkannte er als typische Geisteshaltung der Weimarer Republik und auch des Faschismus. Man höre sich nur einmal die Reden des begeisterten Nietzscheaners Goebbels an.

Die echten Kyniker hingegen verachteten die Macht. Sie waren frivol und frönten dem Hedonismus. Sie waren das Gegenteil von allem, was die KZ-Aufseherin hier glorifiziert.

Die Alternative Kynismus vs. Zynismus ist ein echtes ethisches „Entweder/Oder“, das außerhalb des irrationalistischen Einheitsbreis keinerlei Vermittlung kennt. Das einzige verbindende Element zwischen beiden Geisteshaltungen ist die ‚Subversion‘: In dem einen Fall die Subversion der Aristokratie, in dem anderen diejenige der Demokratie.

Ein Priester des „heiligen Eros“. – Bild aus dem Film „Die 120 Tage von Sodom“ von Pier Paolo Pasolini.

„Nicht nur das Schöne ist Objekt der Kunst, sondern auch das Abstoßende, Ekelhafte, die Abjekte.

Die Kunst, die sich den Abjekten zuwendet, ist Pornosophie, sie stellt die Wahrheit der Abjekte, der ‚Huren‘ dar.“

Es ist klar, dass die „Huren“ hier in Anführungszeichen stehen müssen, weil die Ideologie des Faschismus zutiefst lustfeindlich ist. Die KZ-Aufseherin agiert freilich als Hure, gar als ‚Edelhure‘, doch natürlich nicht als sexuelle Dienstleisterin, sondern als amoralische Erfüllungsgehilfin der Bestrafung und Vernichtung ‚niederer‘ Huren. Sie ist stark genug, auch „das Abstoßende“ und „Ekelhafte“ zu ertragen qua zum ‚ethischen‘ Prinzip gemachter moralischer Abstumpfung und Degeneration. Eine ‚Verstoßene‘, die im Dienste ihrer Herren ‚zu allen Schandtaten‘ bereit ist, solange es nicht um ‚banale Sexualität‘ geht.

„Dieser ästhetische Extremismus ist eine skandalisierende Lebensform, die dem ‚Skandal‘ (genannt Leben) auf den Grund geht. Die barbarische Wahrheit des Lebens kommt ans Licht.“

Welche Wahrheit ‚ereignet‘ sich nun im Exzess? Es ist klar, dass sie nur das bestätigt, was ohnehin die Grundprämisse der faschistischen Ideologie ist: Das Leben ist barbarisch.

Diese Sichtweise eint alle Faschisten: Das Leben ist von Grund auf böse. Wer die Welt verbessern oder sich auch nur persönlich ethisch verhalten will, ist entweder hoffnungslos naiv und selbst schuld an seinem Untergang – oder einfach ein Heuchler. Bei Schopenhauer deutet sich diese „barbarische Wahrheit“ an, doch er bewahrt einen Restbestand an Humanismus – bei Nietzsche kommt sie zu sich. (Wobei Nietzsche nicht darauf zu reduzieren ist!)

Man hat aus dieser Perspektive keine andere Wahl, als sich „maßlos, bedenkenlos, gewissenlos“ zu verhalten, es ist geradezu eine ethische Pflicht. Man muss zum Barbaren werden, zum Nomaden, zur Kriegsmaschine.

Die Subversion der Postmoderne besteht vor allem darin, diese hoffnungslose Weltsicht verstärkt und als einzige „Wahrheit“ etabliert zu haben, an die man heutzutage noch glauben darf.

Die einzige Heilung würde an dieser Stelle noch darin bestehen, anzuerkennen, dass dies eben nicht die „Wahrheit des Lebens“ ist. Das Leben ist gut und böse, schön und hässlich, zivilisiert und barbarisch. Doch die KZ-Aufseherin ergreift auch diesen letzten Strohhalm nicht und versinkt endgültig im Strudel ihrer semantischen Ergüsse. Es gibt fortan kein Halten mehr für Rausch und Exzess.

Echter Kynismus verachtet die Macht. Die Begegnung zwischen Diogenes und Alexander, gezeichnet von Lovis Corinth (1894).

„Dieser Skandalismus stellt sich gegen die political correctness der Massendemokratie, gegen die Hässlichkeit ihres grunzenden, schmatzenden, saufenden Hedonismus mit elitärem Hedonismus: er Aristokratismus = Pornosophie.“

Die faschistische Subversion kritisiert bekanntlich die ‚political correctness‘. Ich kritisiere sie bekanntlich auch, doch aus einer völlig entgegengesetzten Perspektive, aus einer kynischen, als zynisches Instrument der Herrschenden. Ich kritisiere sie im Namen der „Massendemokratie“.

Die KZ-Aufseherin versammelt hier als gelehrige Schülerin geradezu alle Topoi der reaktionären Demokratiekritik und Massenverachtung.

Das hat im Übrigen nicht mehr viel mit Bataille zu tun: In seiner antifaschistischen Phase vertritt er geradezu das Gegenteil, die Enthemmung im Namen eines radikalisierten anarchischen Dionysmus. Doch dieser Surrealismus wird schnell zum Surfaschismus, das bezeugt nicht zuletzt die Wendung Dalís zum Franco-Verehrer unter Berufung auf genau dieselben vom armen Nietzsche zusammengestohlenen Floskeln.

Das Schicksal der ursprünglich kynischen, authentisch-revolutionären Bewegung des Surrealismus, das ich in meinem erwähnten Buch detailliert nachzeichne, beweist schlagend, dass man den Irrationalismus nicht mit irrationalistischen Mitteln besiegen kann. Man arbeitet dem faschistischen Mythos nur zu, wenn man ihn mit einem antifaschistischen Mythos vertauscht: Man muss den Mythos in den Dienst der Vernunft stellen, um die Wurzeln des Faschismus auszurotten, sonst macht man sich unwillentlich zu seinem Komplizen. Doch um einen antifaschistischen Mythos geht es hier schon lange nicht mehr, sondern um einen „elitären Hedonismus“ Nietzscheschen Stils, ‚korrekt‘ wie paradox zugleich als „kynischer Aristokratismus“ bezeichnet.

Surfaschist bis in die Bartspitzen: Salvador Dalí zur erotischen Audienz bei Franco.

„Kynischer Aristokratismus“, das war genau das Selbstverständnis des Faschismus: Eine kleine Gruppe „gewissenloser“ und „bindungsloser“ ‚Freigeister‘ sollte über eine tumbe, führungsbedürftige ‚Schweineherde‘ regieren. Es ging dabei nicht um eine Erziehungsdiktatur, um irgendein ethisches Ideal, sondern einzig um Macht.

Warum man das „Pornosophie“ nennen soll, will mir nicht einfallen. Ich finde das weder pornographisch noch weise noch ‚nackt‘ im Sinne der Entbergung einer echt-subversiven, kynischen Wahrheit. Diese Pseudo-Pornosophie verdient nur einen Namen: Faschismus.

„Die gelingende Skandalisierung ist aber nicht grenzenlose Enttabuisierung. Ist Skandalisierung entgrenzte Enttabuisierung, dann ist sie unerotisch und pornographisch. Der Skandal, der ein Wahr-Sagen ist, braucht Tabus, um die Erotik zu ermöglichen.

Die Garantie der Tabus als Bedingung der Möglichkeit von Erotik ist die Form, der Stil.“

Es ist klar, dass es im KZ nicht regellos zugehen darf. Es braucht vom Führer verhängte „Tabus“, um die perverse Lust der „kynischen Aristokraten“, zu denen sich nun auch die vom Lande stammende KZ-Aufseherin zählen darf, zu maximieren. Freilich Tabus, die nicht an irgendeine Form der Ethik rückgekoppelt werden.

„Pornosophie ist stilisierte Erotik, kein Sex, sie ist ästhetisierte Religion, Erotik als Religion.“

Es soll auch ja keiner denken, dass es hier um ‚banale‘, ‚schweinische‘ Lust ginge, um den „Sex“ der Massemenschen. Die Religion wird ihrer moralischen Gehalte beraubt, gepredigt ein neues Heidentum.

Nun kann endlich auch das letzte Tabu und die letzte Maske fallen und sich der „kynische Aristokratismus“ als das offenbaren, was er ist:

„Was griechisch phallos heißt ist lateinisch fascinus.
Das Bündel, das Beil, als Symbol der Strafgewalt, fasziniert, verzaubert, verführt, bannt uns.

 Der Oberpriester des ‚Edelmenschentums‘ mit Blick auf sein Idol 1932.

Insofern stand der Phallus immer für Souveränität und im Anschluss daran das gebündelte Feuer: die Fackel. Der Pornosoph, insofern er den Phallus heiligt, ist also der Fackelträger der Kunst: der Künstlerphilosoph.“

Ich gebe zu: Das Liktorenbündel ist ein Symbol mit einer langen Geschichte. Doch man hat ein sehr naives Verständnis von faschistischer Ideologie, wenn man meint, sie würde nicht bewusst mit solchen Mehrdeutigkeiten spielen, um zumindest einen Rest von Akzeptabilität zu bewahren, um noch irgendwie von der liberalistischen „repressiven Toleranz“ (Marcuse) der Postmoderne geduldet werden zu können.

Wie soll man diese Spielereien mit dem Bild des „fascinus“ anders verstehen als ein eindeutiges Bekenntnis zum Faschismus vor dem Hintergrund des bisherigen rhetorischen Vorlaufs?

Man tausche nur einmal das Wort „fascinus“ gegen „Hakenkreuz“ aus, um sich zu vergegenwärtigen, wie lächerlich und sophistisch diese Argumentation ist. Beim Hakenkreuz könnte man ja genauso argumentieren: Das Symbol wurde schon vor dem 20. Jahrhundert in allen möglichen kulturellen Kontexten gebraucht.

Doch würde man ernsthaft ein affirmatives Bekenntnis zum Hakenkreuz anders verstehen als als Bekenntnis zum Nazismus? Wieso sollte es beim Liktorenbündel anders sein?

Symbole können nicht beliebig umgedeutet und uminterpretiert werden, sondern haben einen historisch definierten, objektiven Bedeutungsgehalt, der nicht unbedingt dem historisch ursprünglichen entsprechen muss. Nach 1933 ist das Hakenkreuz ein eindeutig nationalsozialistisches Symbol außerhalb von Archäologiemuseen und entsprechend das Liktorenbündel ein faschistisches, zumal, wenn es auch noch mit der Bezeichnung ‚fasces‘ (in nur minimal transformierter Gestalt) gepaart wird. Ebenso, wie man heutzutage Frauen nicht mehr als „Weiber“ bezeichnet, schwarze Menschen nicht mehr als „N…“, unter bestimmten Wörtern eben bestimmtes versteht und bestimmten Symbolen bestimmte Assoziationen zuweist. Wir könnten nicht miteinander sprechen, wenn es  nicht so wäre. Wenn jemand die Chiffre „88“ verwendet, würde man ihn auch nicht erstnehmen, wenn er sich darauf herausredete, dass das doch einfach nur Zahlen seien. Und ebenso geht es in diesem Text – so könnte man jedenfalls meinen, wenn man seiner empirischen Autorin entsprechende Intentionen unterstellen würde (was ich nicht tue) – um einen bewussten Tabubruch, um eine faschistische Geisteshaltung in der größtmöglichen Deutlichkeit zu befördern, ohne polizeilich belangt werden zu können.

Verklärung des Phallus bei Abwertung des Weiblichen – was ist mit der Vulva des Anfangs? –, der „Strafgewalt“, Wille zur „Souveränität“ und sogar das Bild des Fackelträgers: All das ist urfaschistische Symbolik und Sprache. Das ist geradezu das Wesen des Faschismus zusammengefasst: Es geht in ihm – wie selbst Bataille erkannte – um die männerbündisch-homoerotische Vergötzung des Phallischen, des Vertikalen, der Macht als Selbstzweck, der Rettung der Souveränität um jeden Preis.

Dass eine Frau diese Sätze spricht, macht sie nicht besser: Hier äußert sich nicht zuletzt der äußerste Antifeminismus. Es handelt sich um das Bekenntnis einer sich selbst hassenden, vollkommen in patriarchalen Denkweisen befangenen, Frau, die ich einfach nur bemitleide.

 

Mir bereitet die Lektüre bzw. das Anhören dieses semantischen Ergusses keinen ästhetischen Genuss und er fasziniert mich auch nicht. Er ekelt mich einfach nur an, empört und enttäuscht mich. Ein so offenes, bruchloses Bekenntnis zur faschistischen Ideologie unter dem Deckmantel der Kunst habe ich selten vernommen. Es löst in mir nur einen Wunsch aus: Die Erschießung seiner Urheberin (nicht im Sinne seiner empirischen Autorin, versteht sich!) und den Griff nach der Gartenschere. Es ist ein unverantwortliches Spiel mit ästhetischen Tabus, dem ich nur als Darstellung des Faschismus etwas abgewinnen kann, sonst nicht das Geringste.

Wie gesagt: Eine wesentliche kulturelle Wurzel des Nazismus war die Verbreitung einer irrationalistischen Grundorientierung und einer ihr entsprechenden sakralisierten Ästhetik des Hässlichen in weiten Teilen der Gesellschaft. Das „Bekenntnis einer KZ-Aufseherin“ hätte das Potential, dem Antifaschismus zuzuarbeiten, wenn es Teil einer Inszenierung wäre, in der es gebrochen würde. Ich hoffe, dieser Kommentar ist Bruch genug, um dieses geistige Gift in ein Heilmittel zu verwandeln.

Die „fasces“: Ein unschuldiges Symbol ohne Geschichte?

Werden derlei semantische Ergüsse ungebrochen verbreitet, wird damit dem Faschismus zugearbeitet. Es gibt nach Auschwitz keine harmlose ästhetische Verklärung des Bösen.

Ich habe für diesen „kynischen Aristokratismus“ nichts weiter als Verachtung übrig. Seine Vertreter sind traurige Elendsgestalten, die ich bemitleide. Wollte man ihren eigenen Jargon verwenden, müsste man sie als ‚Untermenschen‘ bezeichnen. Seine Ergebnisse sind weder schön noch hässlich, sondern letztlich einfach nur langweilig.

Ich bin ein Anhänger der Massendemokratie und bejahe sie auch in ihrer „Hässlichkeit“ (im Sinne des „Stils“ jener Elendsgestalten), ich bin ein Bewunderer des Diogenes und seines echten, anarchischen Kynismus, ich bin ein Anhänger des „grunzenden, schmatzenden, saufenden Hedonismus“. Menschen, die die „Strafgewalt“ ästhetisch glorifizieren und vergötzen, sind mir suspekt und ich will mit ihnen nichts zu tun haben. Es sind meine Feinde und ich wünsche mir, dass sie die nüchtern-unerotische „Strafgewalt“ eines revolutionären Tribunals ereilt. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Macht bestenfalls noch als Mittel existiert – beispielsweise um derartige Elendsgestalten dorthin zu verfrachten, wo sie mit ihrer Gesinnung keinen Schaden verursachen können (in sibirischer oder besser noch antarktischer Isolation sollen sie ihren perversen Schrullen von mir aus frönen können), nicht als Selbstzweck, in der Phallus und Vulva verehrt werden, in der Menschen, die „maßlos, bedenkenlos, gewissenlos“ sind und sich darauf auch noch etwas einbilden, nichts zu melden haben.

Wirkliche Pornosophie im Geiste der großen Kyniker der Geschichte, im Sinne eines Diogenes, eines Rousseau, eines Fourier, eines Otto Gross, eines Wilhelm Reich oder eines Herbert Marcuse (und auch Bataille und de Sade, sicher auch Sacher-Masoch, wären in dieser Reihe zu nennen, wenn man sie nicht apologetisch liest) wäre das Gegenteil des hier Vorgetragenen.

 

Wie gesagt: Meine Ausführungen können das Thema trotz ihrer Ausführlichkeit nicht erschöpfen. Einen vollkommen verstockten Faschismusrelativierer werden sie sicherlich trotz all meiner Bemühungen nicht überzeugen und ein Faschist wird sie nur müde belächeln als „Gegrunze“ eines linken ‚Lumpenintellektuellen‘. Letztere werde ich ohnehin nicht überzeugen können, vom ersteren erhoffe ich mir wenigstens, meine Argumente redlich zu prüfen und sich ernsthaft zu fragen, ob das von Konstanze Caysa in diesem Video performierte wirklich gemäß ihren eigenen in dem Text geäußerten Maßstäben eine „gelingende Skandalisierung“ darstellt – gegen die auch ich nicht einzuwenden hätte – oder nicht doch eher eine „grenzenlose Enttabuisierung“, die dann auch gemäß ihren eigenen Kriterien gescheitert wäre.

Ich gehe derweil in den Schuppen und hole die Gartenschere raus …

 

***

 

Ich frage also Konstanze Caysa öffentlich und verlange eine ebenfalls öffentliche Erklärung:

Was war Deine Intention beim Verfassen dieses Textes?

Vertrittst Du dort Deine eigenen Ansichten?

Wenn ja: Wie verteidigst Du Dich gegen die von mir vorgetragenen Argumente?

Zu guter Letzt: Worin siehst Du die historische Mission der Kunst nach Auschwitz und inwiefern realisierst Du diese Mission in Deiner künstlerischen Praxis?

3 Comments

  1. Die After-Philosophie, dieses völlig verdummende Gerede der politisch Korrekten, die gar nicht denken können, weil sie bloß anschauliche, dumpfe Vorstellungen haben, verfolgen eine klare Methode – die zu studieren hier zum allgemeinen, abschreckenden Vorbild und Zerrbild der Menschheit vor Augen gestellt worden ist:

    1) Sie kriegen irgendein Puh- Wort schief in den Hals – dabei haben sie eine merkliche Überempfindlichkeit über die Jahre kultiviert.
    2) Aufgrund des Puh-Wortes schreiben sie dem Autor einen festen Charakter, ein unerschütterliches Wesen zu: X ist Nazi.
    3) Sie karren allerlei gelehrtes Material herbei, um den Autor in den Dreck zu ziehen.
    4) Sie suchen nicht das persönliche Gespräch, sondern diffamieren öffentlich.
    5) Sie belegen, dass jede Interpretation nur das Wesen findet, das Sie vorher schon hineingelegt hat.
    6) Sie fordern einen moralischen Kompass, Ethik und Vernunft auch für das Unvernünftig (was selber unvernünftig ist)
    7) Ebenso wie ihre Unterstellungen haltlos sind, weil sie aus Überreizung sich irgendwelche Chimären zusammenphantasieren, ebenso haltlos werden ihre Beleidigungen.

    Mit diesen sieben Dolche ermorden dieser Haltungsphilister jede Form von Kunst, Wahrheit und Freiheit. Es sind die Todsünden gegen unzeitgemäßes Denken.
    Schade, dass auch die HARP zum Sündenfall geworden ist.

    Dienstag, 17. Mai 2022 um 08:42 Uhr | Permalink
  2. Paul Stephan schrieb:

    Puh, ich gehe nur mal kurz auf die sachlichen Anteile Ihrer Kritik ein. Ich freue mich über diese Gelegenheit, einige Missverständnisse auszuräumen und ergreife sie gerne am Schopfe.

    „Die After-Philosophie, dieses völlig verdummende Gerede der politisch Korrekten, die gar nicht denken können, weil sie bloß anschauliche, dumpfe Vorstellungen haben, verfolgen eine klare Methode – die zu studieren hier zum allgemeinen, abschreckenden Vorbild und Zerrbild der Menschheit vor Augen gestellt worden ist:“

    Ich bin eigentlich ein Kritik der „political correctness“. Inhaltliche Kritik hat ja nichts mit „political correctness“ zu tun.

    „1) Sie kriegen irgendein Puh- Wort schief in den Hals – dabei haben sie eine merkliche Überempfindlichkeit über die Jahre kultiviert.“

    Nein, mir geht es nicht nur um die Schlusssätze, ich habe auch an dem Vorlauf meine Kritik. Gut, ich gebe zu, dass sie dann anders ausgefallen wäre. Aber die Autorin spielt ja selbst mit dem „Puh-Wort“ ganz bewusst und will anscheinend provozieren.

    „2) Aufgrund des Puh-Wortes schreiben sie dem Autor einen festen Charakter, ein unerschütterliches Wesen zu: X ist Nazi.“

    Auch das geht völlig an meinem Text vorbei, ich schreibe genau das Gegenteil!

    „3) Sie karren allerlei gelehrtes Material herbei, um den Autor in den Dreck zu ziehen.“

    Geistesgeschichtliche Traditionslinien, die heutzutage nicht mehr offensichtlich sind, ist jetzt wohl auch schon verboten?

    „4) Sie suchen nicht das persönliche Gespräch, sondern diffamieren öffentlich.“

    Woher wissen Sie das? Teil des Problems war tatsächlich, dass mehrere Angebote zum persönlichen Gespräch abgelehnt wurden. Außerdem ist der Text ja auch nicht privat, sondern wurde öffentlich verlesen auf einem u.a. von mir kurarierten Youtube-Kanal und unter meiner offensichtlichen Beteiligung.

    „5) Sie belegen, dass jede Interpretation nur das Wesen findet, das Sie vorher schon hineingelegt hat.“

    Gibt’s dazu auch ein Argument? Wie soll man besagten Text Ihres Erachtens interpretieren? – Und mit Verlaub scheint mir Ihr Kommentar diesen Satz weitaus besser zu bestätigen.

    „6) Sie fordern einen moralischen Kompass, Ethik und Vernunft auch für das Unvernünftig (was selber unvernünftig ist)“

    Gut, da werfen Sie wirklich ein tieferes Problem auf. Grobe Antwort: Es gibt nicht einfach das „rein Unvernünftige“ hier und das „rein Vernünftige“ dort, sondern beides ist immer schon durchmischt und dialektisch aufeinander bezogen.

    „7) Ebenso wie ihre Unterstellungen haltlos sind, weil sie aus Überreizung sich irgendwelche Chimären zusammenphantasieren, ebenso haltlos werden ihre Beleidigungen.“

    Ich will durch diesen Text niemanden beleidigen. Wenn ich getan hätte, tut mir das sehr leid.

    „Mit diesen sieben Dolche ermorden dieser Haltungsphilister jede Form von Kunst, Wahrheit und Freiheit. Es sind die Todsünden gegen unzeitgemäßes Denken.
    Schade, dass auch die HARP zum Sündenfall geworden ist.“

    Ein „unzeitgemäßes Denken“ im Sinne der „postmodernen Subversion“ kritisiere ich immer und habe es auch in der Vergangenheit oft kritisiert.

    Wenn es eine Sünde ist, gegen die Ästhetisierung und Verharmlosung des Faschismus Einspruch zu erheben, dann begehe ich diese Sünde gern.

    Dienstag, 17. Mai 2022 um 11:33 Uhr | Permalink
  3. Paul Stephan schrieb:

    Hier der Link zu meinem Nietzsche-Vortrag, in dem ich meine Kritik nochmal argumentativ nachschärfe und das versprochene „Bekenntnis“ anbringe: https://youtu.be/Dew0hpWsfbQ

    Und hier das „Bekenntnis einer demokratischen Drecksau“ in Textform: https://blog.harp.tf/2022/15/07/bekenntnis-einer-demokratischen-drecksau/

    Freitag, 15. Juli 2022 um 02:40 Uhr | Permalink

One Trackback/Pingback

  1. HARP › Youtube zensiert Kunst on Montag, Mai 16, 2022 at 11:51

    […] am 12. Mai von Konstanze Casa hat nicht nur bei uns intern für einige Kontroversen gesorgt (vgl. Paul Stephans entsprechende Kritik auf unserem Blog), sondern ist – aus freilich ganz anderen Gründen – auch bei Youtube auf Ablehnung […]

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