Aus aktuellem Anlass folgt hier erneut ein eher praktisch-politischer Gastbeitrag von Nicht ohne uns Sachsen. Wir wollen betonen, dass wir als HARP zur herrschenden Corona-Politik keine einheitliche Meinung haben und auch selbst nicht zu Aktionen aufrufen. Wir halten diesen Beitrag jedoch für eine lesenswerte und relevante Stellungnahme, die mehr Aufmerksamkeit verdient.
Für eine sozial-liberale Einheitsfront gegen den Corona-Coup!
Aktionsidee zum 1. Mai
Wahrscheinlich zum ersten Mal seit seiner Etablierung als Kampftag der Arbeiterbewegung im Jahr 1890 werden in Deutschland keine offiziellen Demonstrationen zum 1. Mai stattfinden – und die Mainstream-Gewerkschaften nehmen das, wie so viele nun erfolgte Angriffe auf sozialstaatliche Errungenschaften, widerstandslos hin. In den meisten Bundesländern ist der Artikel 8 des Grundgesetzes, der das Versammlungsrecht garantiert, vollkommen aufgehoben. In Sachen bspw. sind keinerlei Ausnahmen vorgesehen.
Wir sollten das nicht kampflos hinnehmen! Friedlicher politischer Protest ist kein Luxusgut: Das Versammlungsrecht steht im Grundgesetz nicht zufällig noch vor wichtigen Rechten wie dem Recht auf Freizügigkeit (Art. 11) oder dem Eigentumsrecht (Art. 14). Die politische Erfahrung lehrt: Online-Petitionen oder individueller Protest können kollektive Zusammenkünfte nicht ersetzen, wer etwas politisch verändern will, der muss auch heute noch auf die Straße gehen. Erst das Versammlungsrecht garantiert, dass sich das Volk auch konkret-praktisch als Souverän konstituieren kann und bspw. das Parlament absetzen, wenn es seine Pflichten missachtet. Es vollkommen abzuschaffen ist daher ein massiver Anschlag auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt und rechtfertigt die Berufung auf Art. 20 Abs. 4, das Widerstandsrecht.
Wir sollten den 1. Mai nutzen, um deutschlandweit für die Versammlungsfreiheit und unsere sonstigen Grundrechte auf die Straße zu gehen. Diejenigen, die meinen, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2. Abs. 2) sei das allerwichtigste, übersehen, dass es im Grundgesetz nur an dritter Stelle steht: Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1) und das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1) kommen zu Recht vorher.
Wir sollten den 1. Mai als Chance nutzen, um eine soziale und liberale Einheitsfront gegen diesen historisch einmaligen Anschlag auf unsere Verfassung zu realisieren: Es kann nicht nur darum gehen, dass das Grundgesetz wieder gilt – es muss darum gehen auf der Basis des Grundgesetzes, das etwa die Vergesellschaftung privaten Eigentums dezidiert vorsieht (Art. 15), eine Gesellschaft zu errichten, in der die wahren Ursachen der aktuellen Krise beseitigt sind. Denn diese sind, wie sich jetzt in aller Deutlichkeit zeigt, nicht einfach biologisch, sondern menschengemacht: Jahrelang wurde das Gesundheitssystem abgebaut, die kapitalgesteuerte Globalisierung ermöglicht erst die rasante Verbreitung eines solchen Virus weltweit, die Luftverschmutzung verschlimmert den Krankheitsverlauf, schon die Entstehung solcher Viren ist nachweislich auf den Raubbau an der Natur zurückzuführen. Wir brauchen daher einen konsequenten sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft jetzt!
Grundrechts- ist zugleich auch Sozialpolitik, denn diejenigen, die am meisten unter dem Lockdown zu leiden haben, sind diejenigen, die in der sozialen Hierarchie ohnehin ganz unten stehen: Die Großkonzerne arbeiten weiter und die Wohlhabenden werden die Krise gut in ihren geräumigen Luxusappartments und Villen überstehen und durch geschickte Börsenspekulationen sogar noch von ihr profitieren. Kleine Selbständige können derweil sehen, wo sie bleiben, Frauen sind vermehrt häuslicher Gewalt ausgesetzt, generell leiden nun alle besonders, die ohnehin in beengten Verhältnissen wohnen wie etwa proletarische Großfamilien oder Menschen in Flüchtlingsunterkünften. – Eine Linke, die nicht erkennt, dass die Lockdownpolitik ein massiver Klassenkampf von oben ist, ist ebenso verkürzt wie eine liberale Politik, die die Grundrechtsfrage stellt, ohne die soziale mitzustellen!
Wir haben einen leicht individuell zu realisierenden und „legalen“ Aktionsplan für den 1. Mai überlegt:
- Wir wollen in gelben Warnwesten oder anderer gelber Kleidung an diesem Tag spaziergehen.
- Dabei wollen wir ein Lied singen.
- Grundgesetze, Flugblätter oder sogar eine Zeitung verteilen.
Die Kernforderung ist die Wiederherstellung des Versammlungsrechts.
Wir wollen an die Gelbwestenproteste in Frankreich anknüpfen, die dort nun sogar wieder aufflammen und sich gegen die Ausgangssperre richten. Denn der Corona-Coup ist kein nationales, er ist ein internationales Problem: Die Menschenrechte müssen auf der ganzen Welt und für alle Menschen wieder gelten. Selbst wenn es in Deutschland Lockerungen gibt, müssen wir für unsere Freundinnen und Freunde anderswo auf die Straße gehen.
Die Melodie unseres Liedes kann daher nur eine sein: Die Marseillaise, das Lied der großen Revolution, in der die Menschenrechte, die heute mit Füßen getreten werden von den Mächtigen, erstmalig in einem europäischen Land erkämpft wurden.
Wir schlagen folgenden Text vor:
Die Corona-Marseillaise
1. Ihr sagt wir soll’n uns distanzieren,
Doch das wollen wir nicht.
Ihr sagt, wir soll‘n nicht demonstrieren,
Darum gehen wir heut‘ spazier’n!
Darum gehen wir heute spazier’n.
Wir lassen uns von euren Viren,
Unser Leben nicht ruinier’n.
Wir stellen einfach fest:
In Deutschland gilt das Grundgesetz.
Refrain:
Voran, voran!
Zieht gelbe Westen an!
| : Voran, voran!
Nicht ohne uns!
Einen schönen 1. Mai! : |
2. Ihr sitzt in euren Villen
Und die Kurse explodier’n.
Ihr sagt, wir soll‘n verzichten,
Doch das woll‘n wir nicht akzeptier’n:
Darum gehen wir heute spazier‘n.
Ihr wollt ja nur wie stets
Von uns‘rem Leid profitier’n;
Der kleine Laden geht bankrott,
Konzernen helft ihr sofort.
Refrain
3. Uns‘re Kinder wollen spielen
Und sogar zur Schule gehen!
Und auch wir wollen uns treffen
Und uns‘re Freunde sehn.
Wir können’s nicht versteh‘n:
Schmor‘n wir jetzt immer
Schön brav in unser‘m Zimmer?
Eure Politik – wie ‘ne Seuche,
Nur viel schlimmer.
Refrain
Diese Aktion kann nur gelingen, wenn sie auch massenhaft durchgeführt wird. Dafür brauchen wir eure Unterstützung: Bei der Erstellung einer Zeitung oder eines Flugblatts, beim Druck, beim Beliefern und Verteilen, bei der Bewerbung der Aktion.
Wir suchen insbesondere auch nach Bündnispartnern für diese Aktion: Alle politischen Gruppierungen, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, unsere Forderungen teilen und bspw. bereit sind, einen gemeinsamen Aufruf mitzuzeichnen, sind willkommen.
Meldet euch zum Zweck der Vernetzung bei nicht_ohne_uns_sachsen [at] riseup.net und teilt diesen Aufruf gerne mit allen Interessierten.