Mein Lieblingsphilosoph ist Friedrich Nietzsche. Und eines meiner Lieblingszitate von ihm lautet:
Oh meine Thiere, […] schwätzt also weiter und lasst mich zuhören! Es erquickt mich so, dass ihr schwätzt: wo geschwätzt wird, da liegt mir schon die Welt wie ein Garten.
Wie lieblich ist es, dass Worte und Töne da sind: sind nicht Worte und Töne Regenbogen und Schein-Brücken zwischen Ewig-Geschiedenem?
Zu jeder Seele gehört eine andre Welt; für jede Seele ist jede andre Seele eine Hinterwelt.
Zwischen dem Ähnlichsten gerade lügt der Schein am schönsten; denn die kleinste Kluft ist am schwersten zu überbrücken.
Für mich — wie gäbe es ein Ausser-mir? Es giebt kein Aussen! Aber das vergessen wir bei allen Tönen; wie lieblich ist es, dass wir vergessen!
Sind nicht den Dingen Namen und Töne geschenkt, dass der Mensch sich an den Dingen erquicke? Es ist eine schöne Narrethei, das Sprechen: damit tanzt der Mensch über alle Dinge.
Wie lieblich ist alles Reden und alle Lüge der Töne! Mit Tönen tanzt unsre Liebe auf bunten Regenbögen.
Das steht in Also sprach Zarathustra und Zarathustra redet hier mit seinen Tieren, Adler und Schlange. Es geht darum, was eigentlich die Funktion von Sprache ist. Sprache wird hier interessanterweise mit Musik gleichgesetzt so als dienten beide demselben Zweck – und man wird zugeben, dass Sprache stets Klang und Wort ist, zwischen diesen beiden Polen beständig oszilliert. Dieser besteht darin, Scheinbrücken zwischen Dingen herzustellen, zwischen denen eigentlich gar keine Verbindung möglich ist. Diese Verbindungen werden auf drei Ebenen errichtet: Zwischen Menschen, indem Sprache ein gemeinsames Verständnis suggeriert; zwischen den Dingen, insofern wir mit Worten Dinge unter einem Begriff vereinigen, die in Wahrheit überhaupt nichts miteinander zu tun haben; zwischen der Innenwelt des Einzelnen und der Außenwelt, indem wir, wenn wir sprechen, so tun, als könnten wir irgendetwas über die Außenwelt wissen. Alle diese drei Aspekte lassen sich so zusammenfassen: Sprache lässt die Welt erklingen, die sonst starr und stumm wäre. Für Nietzsche klingt sie an sich nicht, sondern wird erst durch unsere Anstrengung zum Klingen gebracht. In der Romantik hieß es noch:
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Man glaubte also noch, dass die Dinge in sich eine Eigenschwingung tragen, die die menschliche Stimme zu erwecken habe (in etwa so, wie wenn man durch den Anschlag einer Klavierseite andere Seiten zum mitschwingen bringt). Genau das beschreibt Nietzsche als Illusion: Das Lied, das wir in den Dingen zu hören meinen, ist nur das Echo unserer eigenen Stimme. Wir hören in Wahrheit stets nur uns selbst.
Man sagt oft, dass das Lernen von Fremdsprachen nützlich sei, weil man dadurch vertiefte Verbindungen zur Welt herstelle: Man könne in den Dingen und Menschen noch nie zuvor erhörte Saiten zum Klingen bringen lassen, da man nun mehr Menschen als vorher versteht, noch subtilere Verbindungen zwischen den Dingen herzustellen vermag (oder womöglich ganz neue sieht, an die man vorher noch gar nicht dachte) und so in noch besserer Harmonie mit der Außenwelt zu existieren vermag. Mit Nietzsche müsste man dagegen einwenden, dass sich der Polyglotte nur umso mehr in die Illusion verfängt, es gäbe eine echte Resonanzbeziehung zwischen der Welt und mir. Daraus folgt natürlich nicht, dass man keine Fremdsprachen lernen solle, denn der Illusion wird ja ein hoher Wert zugeschrieben. Doch wie soll ich diesen Wert noch sehen können, wenn ich die Illusion einmal durchschaut habe?